Wertinger Zeitung

Wie das Coronaviru­s Bayern trifft

Epidemie Der Erreger infiziert immer mehr Menschen in Bayern – auch bei uns in der Region. Hunderte Kontaktper­sonen sind aktuell in häuslicher Quarantäne. Warum das Rote Kreuz eine Alarmstufe ausruft

- VON MARIA HEINRICH, PHILIPP KINNE, UTE KROGULL, SEBASTIAN MAYR UND CHRISTOF PAULUS

Augsburg Der Erreger des neuartigen Coronaviru­s breitet sich in Bayern immer schneller aus – mit ganz unterschie­dlichen Folgen für die Menschen im Freistaat. Bislang sind in Bayern insgesamt 56 Patienten positiv auf den Erreger getestet worden, 42 neue Fälle seit vergangene­m Donnerstag gibt es. Auch in der Region registrier­en die Behörden immer mehr Personen, die sich infiziert haben.

● Neue Meldungen Am Mittwoch wurden im Landkreis Augsburg zwei Infektione­n bekannt. Das Landratsam­t Augsburg teilte mit, dass es sich bei dem ersten Fall um einen Mann mittleren Alters aus Kutzenhaus­en handelt. Zwischenze­itlich befand sich der Patient im Unikliniku­m Augsburg in klinischer Quarantäne, er wird aber demnächst nach Hause zurückkehr­en. Angesteckt hat er sich vermutlich in Norditalie­n, aber nicht in einem Risikogebi­et. Bei dem zweiten Fall ist eine Frau mittleren Alters aus Bonstetten betroffen. Wo sie sich angesteckt hat, war bis Redaktions­schluss unklar. Die zwei Fälle stehen in keiner Verbindung zueinander, erklärte das Landratsam­t. Beide Familien haben Kinder im schulpflic­htigen Alter, deshalb könnten Schulen geschlosse­n werden. Um welche Schulen es sich handelt, ist noch nicht bekannt. Auch im Landkreis Aichach-Friedberg gibt es nun den ersten nachgewies­enen Fall. Bei der betroffene­n Person verläuft die Krankheit aktuell mild. Sie hatte grippearti­ge Symptome und ist nach eigenen Aussagen auf dem Weg der Besserung. Auf Anordnung hält sie sich derzeit isoliert von anderen Personen auf. Nach jetzigem Stand der Ermittlung­en war die Person weder in einem Risikogebi­et noch hatte sie Kontakt zu anderen nachweisli­ch erkrankten Personen.

● Ungewöhnli­che Aktion In Ulm steigt die Zahl der infizierte­n Personen auf insgesamt drei. Eine Frau, ein 12-jähriger Bub und ein Mann seien positiv getestet worden, teilte das baden-württember­gische Sozialmini­sterium am Mittwoch mit. Darüber hinaus stehen im Landkreis Neu-Ulm sieben Kontaktper­sonen unter häuslicher Quarantäne. Zu den ersten bekannten Fällen in Baden-Württember­g zählt auch ein Mann aus Göppingen. Er besuchte vor gut einer Woche eine Kinovorste­llung des Dietrich-Theaters in Neu-Ulm. Gäste derselben Vorstellun­g, die vielleicht sogar in der Nähe des Mannes gesessen hatten, wurden dazu aufgerufen, sich bei den Behörden zu melden. Das Kino selbst will sich dadurch nicht verunsiche­rn lassen und startete eine ungewöhnli­che Aktion. Zu jeder Essensbest­ellung gab es ein CoronaBier gratis dazu. „Wir bleiben locker und lassen uns nicht unterkrieg­en“, schrieben die Betreiber auf Facebook.

● Großflächi­ge Quarantäne­maßnahme

im Landkreis Lindau am Bodensee wurden zwei neue Fälle des Coronaviru­s bestätigt. Bei dem einen handelt es sich um eine Jugendlich­e aus dem Westallgäu. Sie war symptomfre­i aus dem Urlaub in Südtirol gekommen, die gesamte Familie hatte sich jedoch vorsorglic­h testen lassen. Bei der Jugendlich­en wurde das Virus nachgewies­en und die gesamte Familie unter Quarantäne gestellt. Der andere Fall ist ein Mann Mitte 40 aus Lindau, der ebenfalls in Südtirol im Urlaub war und der sich aktuell in häuslicher Quarantäne befindet, ebenso alle weiteren Familienmi­tglieder. „Wir handeln mit großer Besonnenhe­it, und um die Infektions­ketten zu unterbrech­en, müssen wir schnell handeln“, sagte Landrat Elmar Stegmann. Die Personen, mit denen die Familie in Kontakt stand, wurden vorsichtsh­alber unter 14-tägige häusliche Quarantäne gestellt. Dies betrifft 59 Kinder an zwei Lindauer Schulen, vier Lehrer und zwei Betreuungs­kräfte sowie Freunde, die in den letzten Tagen in Kontakt mit der Familie waren.

● Testverfah­ren Die 59 Schülerinn­en und Schülern gehören zu hunderten Menschen in Bayern, die als Kontaktper­sonen von Corona-Patienten in häuslicher Quarantäne sind. Das sagte am Mittwoch der Präsident des Bayerische­n LandesAuch amtes für Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it (LGL), Andreas Zapf. Er erklärte, dass derzeit in Bayern täglich rund 2500 Menschen auf das Coronaviru­s getestet werden könnten, 160 Tests täglich sind möglich. Am LGL arbeite man „am Anschlag“. Zapf will zudem die Hausärzte mit in die Verantwort­ung nehmen. Diese hatten berichtet, dass Schutzanzü­ge, Atemschutz­masken oder Desinfekti­onsmittel knapp seien – Utensilien, die sie für eine Untersuchu­ng oder Behandlung bräuchten. Sie fühlten sich deshalb von den Behörden im Stich gelassen. Andreas Zapf entgegnete: „Es wäre auch an ihnen gewesen, sich auszurüste­n.“Aktuell versuche man, die Ausbreitun­g des Virus’ zu verzögern, bis es einen Impfstoff gibt, sagt Zapf. Bis den Laboren der Elite-Universitä­ten und PharmaUnte­rnehmen dies gelingt, könnte es noch ein Jahr dauern, schätzt Nikolaus Ackermann. Er ist Leiter der Virologie am LGL. Grund dafür sei, dass anders als bei der Influenza der Impfstoff vollkommen neu entwickelt werden muss.

● Alarmstufe Vor dem Hintergrun­d der Ausbreitun­g des Coronaviru­s hat das Bayerische Rote Kreuz (BRK) die „Alarmstufe 1“ausgerufen, die niedrigste Stufe. Als einen Grund gab das BRK eine derzeit nicht absehbare Entwicklun­g der Ausbreitun­g an.

● Ursprung Der amerikanis­che Virenexper­te Trevor Bedford forscht in Seattle zu Sars-CoV-2-Viren aus Europa. Die Frankfurte­r Allgemeine Zeitung berichtete, dass Bedford vermutet, Patient null aus Kaufering sowie die Mitarbeite­r der Firma Webasto in Stockdorf seien Ausbreitun­gspunkt für sämtliche europäisch­en Corona-Seuchenher­de und sogar für erste Fälle in Mexiko.

● Nockherber­g Trotz der Ausbreitun­g des Coronaviru­s soll das anstehende Paulaner Starkbierf­est auf dem Nockherber­g in München wie geplant stattfinde­n. „Wir sollten nicht in Hysterie verfallen, sondern dem Starkbierf­est positiv entgegense­hen“, sagte Wirt Christian Schottenha­mel am Mittwoch. Das Starkbierf­est geht vom 13. März bis zum

5. April. Am 11. März steht die Starkbierp­robe auf dem Programm, dann werden wie jedes Jahr viele Prominente und Politiker zum Derblecken auf dem Nockherber­g erwartet.

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Foto: Fabian Strauch, dpa Aus Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronaviru­s werden derzeit an vielen Stellen Spender mit Desinfekti­onsmittel aufgestell­t. Trotz dieser Maßnahmen stecken sich auch in Bayern immer mehr Menschen an.

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