Pschierer legt sich mit den Lehrern an
Schule Eine Lehrerin will helfen, die Personallücke zu schließen. Doch der CSU-Politiker reagiert mit einer harschen Mail
Augsburg Wenn jemand das ultimative Mittel gegen den Lehrermangel hätte, Bayerns Kultusminister Michael Piazolo würde wohl einen dankbaren Stoßseufzer zum Himmel schicken. Er sei für Ideen „immer offen“, sagte der Freie-WählerPolitiker jüngst. Etwas anders wirkt das beim Mindelheimer Landtagsabgeordneten Franz Josef Pschierer. Mit einer harschen E-Mail an eine junge Lehrerin aus Oberbayern stößt der einstige CSU-Wirtschaftsminister Lehrer vor den Kopf. Und scheint in Kauf zu nehmen, dass die Personallücke sogar noch größer wird. Pschierer empfiehlt der Frau, sich einen neuen Job zu suchen.
Dabei sind Lehrer für Grund-, Mittel- und Förderschulen die wohl begehrtesten Fachkräfte in ganz Bayern. Ab dem nächsten Schuljahr sind nach aktuellem Stand 1400 Vollzeitstellen offen. Julia Petry, Grundschullehrerin in Elternzeit, hatte in zwei Mails an die Abgeordneten der Parteien CSU, Freie Wähler, Grüne, FDP und an parteilose Politiker eigene Ideen dazu präsentiert, wie man dem Lehrermangel beikommen könnte. Unter anderem schlug Petry vor, das Gehalt von Grund- und Mittelschullehrern auf die Stufe A13 anzuheben, in die auch Lehrkräfte an Gymnasien und Realschulen eingruppiert sind. Pschierer hält davon nichts – und antwortet in der Mail, die unserer Redaktion vorliegt: „Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ist die freie Berufswahl fest verankert. Sollten Sie mit dem von Ihnen frei gewählten Beruf und den damit verbundenen Arbeitsbedingungen nicht zufrieden sein, müssen Sie selbst die Konsequenzen ziehen und sich eine andere Tätigkeit suchen.“Julia Petry hat die Nachricht auf Facebook hochgeladen – und 200 Kommentare bekommen. „Unverfroren“, „Frechheit“, „dreist“, heißt es da. Ein anderer Nutzer findet „traurig, dass so jemand die Interessen der Bürger vertritt“.
Pschierer hält die unterschiedliche Bezahlung der Lehrer für „amtsangemessen“. Dabei hat er die Christsozialen hinter sich. Kultusminister Piazolo hingegen kämpft für ein einheitliches Gehalt. Pschierer bittet die Lehrerin auch, künftig von langen Briefen an ihn abzusehen. Die Adressatin kann das nicht nachvollziehen. „Es ist doch der Job eines Politikers, sich die Anliegen der Wähler anzuhören“, sagt sie im Gespräch mit unserer Redaktion. Ziel ihres Briefs sei, dass im Kampf gegen die Personalnot „auch die Ideen von Lehrern eingebunden werden, dass die Politik uns und die Schüler nicht vergisst“.
Kultusminister Piazolo hatte im Januar Grund-, Mittel- und Förderschullehrern Mehrarbeit verordnet und Pensionsregeln verschärft, um die Lehrerlücke zu kompensieren. Julia Petry glaubt nicht, dass diese Maßnahmen alternativlos sind. Sie hat mit anderen Pädagogen Gegenvorschläge erarbeitet. Fast 500 Lehrer unterstützen den Entwurf mit ihrer Unterschrift. Julia Petry schlägt etwa vor, Pausenaufsichten oder den Nachmittagsbetrieb an Grundschulen externen Fachkräften mit pädagogischer Ausbildung zu überlassen. Außerdem ist sie sicher, dass manche Lehrkraft in Teilzeit mehr unterrichten würde, wenn sie näher an ihrem Wohnort eingesetzt würde. Zudem fordern Petry und ihre Mitstreiter, den Stundenplan an der Grundschule vorübergehend etwas zu reduzieren. Die Lehrerin hat sich in einer Facebook-Gruppe mit über 4000 Mitgliedern vernetzt. Zusammen wollen sie möglichst viele Petitionen beim Landtag einreichen, damit sich dieser weiter mit dem Thema Lehrermangel befasst. „Grundschullehrer ist ein Traumberuf“, sagt Petry. „Das sehen die meisten Lehrer so. Wir würden uns aber wünschen, dass er nicht ständig durch Bürokratie und noch mehr Belastungen negiert wird.“
Pschierer selbst betont auf Anfrage, dass er „großen Respekt“vor den Leistungen der Lehrer habe. „Wenig Verständnis habe ich dafür, wenn vor allem sehr stark der monetäre Anreiz in den Mittelpunkt gerückt wird.“Julia Petrys Alternativmaßnahmen halte er für „absolut diskutabel“. Ob er seine Mail trotz der Empörungswelle wieder so formulieren würde, lässt der Mindelheimer Politiker offen.