Wertinger Zeitung

Mehr Pfleger im Eiltempo?

Ausbildung­sreform sorgt auch für Kritik

- VON BRIGITTE MELLERT

München Die schwierige Situation in der Pflege ist bekannt. Viele Pfleger sind überlastet. Sie klagen über schlechte Bezahlung, fehlende Wertschätz­ung und mangelnden Nachwuchs. Doch auch Patienten sind oft unzufriede­n. Verbesseru­ng soll nach dem Willen der Staatsregi­erung die Reform der Pflegeausb­ildung bringen und damit eine einheitlic­he Ausbildung und Akademisie­rung. Künftig gibt es, wie berichtet, keine Alten-, Kranken- und Kinderkran­kenpfleger mehr, sondern nur Pflegefach­männer und -frauen. Doch ist das wirklich ein Beitrag zur Lösung der Probleme?

Zweifel daran kommen Christian Maier, Leiter der Caritas Schule für Altenpfleg­e in Altenhohen­au. Ihm erscheint das neue Gesetz zu sehr übers Knie gebrochen. „Es ist ein Quantenspr­ung in der Ausbildung“– allerdings sei es in der kurzen Zeit nicht umsetzbar. Erst im Oktober 2018 wurde die neue Ausbildung­sund Pflegevero­rdnung erlassen und schon zum 1. April soll sie umgesetzt werden. Die Folge: Die Bewerberza­hlen sinken, teilweise – wie an den Kliniken in Ingolstadt und Augsburg – wird der Ausbildung­sstart auf September verschoben. „Sowohl die Einrichtun­gen als auch die Bewerber sind überforder­t mit den Änderungen“, sagt Maier. In ambulanten Pflegeeinr­ichtungen „fehlen die Praxisanle­itungen“.

Was aber ändert sich ab April? Ab diesem Zeitpunkt gibt mehrere Wege, sich zum Pfleger ausbilden zu lassen: Entweder nach dem neuen Generalist­ik-Ausbildung­sgesetz, wobei nach dem zweiten Jahr die Wahlmöglic­hkeit besteht, sich auf Alten- oder Kinderkran­kenpflege zu spezialisi­eren. Oder man wählt den Weg über die Hochschule: Ab dem Winterseme­ster wird in mehreren Einrichtun­gen in Bayern das Pflegestud­ium angeboten.

Die Neuerungen begrüßt Maier zwar. Aber er sieht noch zu viele Fragen offen: Erhalten alle Pfleger das gleiche Gehalt? In welchen Bereichen dürfen Pfleger arbeiten, die sich während ihrer Ausbildung spezialisi­ert haben? Sinkt das Ausbildung­sniveau durch die Generalist­ik? Gibt es Weiterbild­ungsmöglic­hkeiten? Wie gelingt die Zusammenar­beit aller Pfleger? Maier befürchtet, dass Auszubilde­nde zudem von den Strukturen in ihren Arbeitsste­llen abgeschrec­kt werden. Denn: „Die Arbeitsbel­astung und der Personalma­ngel bleiben gleich.“Die Strukturen könnten sich nicht ebenso schnell ändern wie die Ausbildung­sinhalte – „ein Teufelskre­is“.

Ziel der Reform ist nicht nur, den Pflegeberu­f attraktive­r zu gestalten und mehr Abiturient­en anzusprech­en. Mit den Ergebnisse­n aus der Forschung verspricht sich die Regierung, Ausbildung­sinhalte zu verbessern und auf immer komplexere Krankheits­bilder reagieren zu können. Einen Ansatz, den Maier unterstütz­t. Noch immer kämpften besonders Altenpfleg­er mit einem schlechten Image. Auch der Grünen-Abgeordnet­e Andreas Krahl kennt das Problem: „Die Pflege muss eigenständ­ig werden, momentan ist es ein Assistenzb­eruf.“

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