Den Kummer von der Seele reden
Hotline In München bieten Studenten ein nächtliches Hilfetelefon für Studenten an. Was die Ehrenamtlichen dort zu hören bekommen – und wann sie an ihre Grenzen stoßen
München Gerade in der Prüfungszeit steigt der Stress, bei den vielen Klausuren und Abgabeterminen für die Seminararbeiten ist man so verzweifelt, dass man heulen könnte. Eng wird es auch, wenn die Freundin Schluss gemacht hat – vor lauter Liebeskummer kann man nicht essen, schlafen oder sich auf die Vorlesung konzentrieren. Oder: Es gibt Streit in der WG – und man braucht dringend jemanden, dem man sein Herz ausschütten kann, der einfach zuhört. Genau darum geht es bei Nightline, einem Zuhörtelefon von Studierenden aus München – vor allem für andere Studierende.
„Im Gegensatz zu Freunden und Familie wollen wir keine Ratschläge geben“, erklärt Eva S. „Es geht einfach darum, dass man uns alles erzählen und sich seine Sorgen von der Seele reden kann.“Eva S. möchte ihren richtigen Namen nicht verraten, ihr ist absolute Anonymität wichtig. „Nur wenn wir unerkannt bleiben, können wir sicherstellen, dass jeder bei uns anrufen kann – ohne Angst davor, erkannt zu werden. Nur so können vertrauensvolle Gespräche entstehen.“Eva S. ist seit einem Semester dabei und studiert an der Technischen Universität Medizin. Bevor sie bei dem Hilfetelefon mitmachen konnte, musste sie eine Schulung absolvieren. „Für die Arbeit ist es sehr wichtig, dass wir lernen, richtig mit den Anrufern umzugehen.“Am Anfang sei es ihr schwergefallen, sich aufs Zuhören zu konzentrieren und nicht zu unterbrechen. „Es ist wichtig, den Anrufer sozusagen leerreden zu lassen. Das kann schon mal eineinhalb Stunden dauern. Das allein hilft schon ungemein.“
20 Studenten arbeiten aktuell ehrenamtlich in Schichtdiensten bei
Nightline, das Studentenwerk unterstützt das Projekt und stellt ein Büro zu Verfügung. Jeden Dienstag und Donnerstag von 21 bis 0.30 Uhr stehen die Nightliner für Anrufer dort bereit. Eva liebt diese Zeit. „Bei Nightline mache ich mit, weil ich einfach gerne zuhöre.“
Besonders viele Anrufe gehen bei dem Münchner Hilfetelefon am Anfang jedes Semesters und während der Prüfungsphasen ein. „Das ist für die meisten Studenten die aufregendste Zeit.“Dann gibt es aber zwischendurch auch Tage, an denen das Telefon kein einziges Mal klingelt. „Das freut uns aber eigentlich. Denn es bedeutet, dass sich gerade niemand in einer so großen Notlage befindet, dass er bei uns anrufen muss.“Eva S. und ihre Kollegen bei Nightline sind oft bewegt, mit wie vielen Problemen sich manche Studenten herumschlagen müssen. Manche kommen zum Beispiel aus einem schwierigen Elternhaus, haben Stress mit Freunden und dann kommen auch noch Probleme in der Uni dazu. „Da bewundere ich manche, wie stark sie sind. Und ich frage mich: Könnte ich selbst das alles auch so gut durchstehen?“
Dann gibt es aber auch die Situationen, die die Kompetenz der
Nightliner übersteigen. Zum Beispiel, wenn Menschen mit Depressionen oder suizidalen Gedanken anrufen. „Wir sind keine Hobbypsychologen“, betont Eva S. Die junge Frau hat deshalb immer eine Liste mit Telefonnummern griffbereit und überweist an andere Stellen oder Hilfetelefone. „Trotzdem ist es sehr wichtig, den Menschen das Gefühl zu geben, dass wir in ihrer Notlage für sie da sind.“
Nightline richtet sich vor allem an Studenten, trotzdem betont Eva S., dass sich jeder bei ihnen melden kann, auch Schüler und Erwachsene. „Als Anrufer sollte man sich aber bewusst sein, dass auf der anderen Seite des Hörers Studenten sitzen und wir einfach noch nicht so viel Lebenserfahrung haben.“Vor allem wünscht sich Eva S., dass Nightline noch bekannter unter den Studenten wird. „Da wir anonym bleiben wollen, ist es wirklich schwierig, uns über Werbung bekannter zu machen. Wir können ja nicht einfach auf Studienmessen gehen und davon erzählen. Dann wäre die Anonymität nicht mehr gewahrt.“
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Nightline Das Zuhörtelefon von und für Studenten ist unter der Telefonnummer 089/3571 3571 erreichbar.