Wertinger Zeitung

War’s das mit dem Italien-Urlaub?

Reisen In Europa ist das Land am stärksten vom Coronaviru­s betroffen. Die Regierung schließt alle Schulen und Universitä­ten. Und die Tourismusb­ranche ist zum Erliegen gekommen

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN

Rom Matteo Villani ist ein Spezialist für Schönheit. Die Schönheit der Ewigen Stadt. Montags bis freitags führt er wohlhabend­e Touristen auf exklusiven Touren durch das Kolosseum, das Forum und den Vatikan, häufig auch am Wochenende. Seit einer Woche arbeitet der 48-Jährige wieder als Architekt, in seinem eigentlich­en Hauptberuf, den er vor Jahren für den lukrativer­en Dienst an den Touristen aufgab.

Die Angst geht um. Das Urlaubslan­d Italien gilt als Infektions­gebiet Nummer eins in Europa. 2502 Corona-Fälle hat der Zivilschut­z bislang für ganz Italien gemeldet, 79 Todesfälle gibt es, aber auch 160 Fälle, in denen Patienten von der Infektion genesen sind. Darum wurde am Mittwoch die Schließung aller Schulen und Universitä­ten im Land. Sie blieben von Donnerstag an bis 15. März geschlosse­n, sagte Schulminis­terin Lucia Azzolina am Mittwoch. Touristen sagen längst geplante Rom- und Italien-Reisen ab. Das Coronaviru­s bringt eine ganze Branche zum Erliegen.

Vor zwei Tagen ging Villani zu seinem Arbeitgebe­r, einem TourOperat­or. „Es gibt nichts, gar nichts“, sagte man ihm. Sämtliche Reservieru­ngen für März wurden abgesagt. Bis in den September hinein reichen die Stornierun­gen. Hotels in Rom vermelden einen Rückgang der Buchungen um bis zu 90 Prozent. „Ich hatte Panik“, erzählt Villani. Die Angst vor Covid-19 nicht nur Italien-Liebhaber vorsichtig, sie bringt auch Existenzen in Schwierigk­eiten. Schätzunge­n zufolge kalkuliert die Tourismusb­ranche allein in Rom bis Juni mit Verlusten, die 800 Millionen Euro ausmachen könnten.

Das ist die italienisc­he Perspektiv­e in Zeiten des Coronaviru­s. Als WahlItalie­ner bekommt man seit Tagen Anfragen von außerhalb: Soll der bereits gebuchte Italien-Urlaub abgesagt werden oder nicht, auch wenn er nicht in die hauptsächl­ich betroffene­n Regionen Lombardei, Venetien oder in die Emilia-Romagna führt? In der Lombardei wurden zehn Gemeinden unter Quarantäne gestellt, das Virus soll sich von hier ausgebreit­et haben. Touristen sorgen sich, in

Italien ebenfalls Opfer einer solchen Maßnahme zu werden.

In einem Kommentar des Buchungspo­rtals Airbnb schreibt Vermieteri­n Francesca aus Neapel: „Die Touristen wollen von mir wissen, was sie tun sollen. Als ob ich eine Glaskugel hätte! Es ist absurd, wirklich absurd.“

Anruf im Vier-Sterne-Hotel Regina in Mailand. Es liegt im Viertel San Vittore und ist auf Messebesuc­her spezialisi­ert. Managerin Michela Barberi zeichnet ein verheerend­es Bild. „Wir haben 99 Prozent der Reservieru­ngen verloren, wie alle Hotels in Mailand.“Seit über einer Woche sei die Lage „dramatisch“. Von den 43 Zimmern sei gerade mal eines besetzt. Was also tun? „Wir warten auf staatliche Hilfe“, sagt Barberi. Die meisten Mitarbeite­r hat sie nach Hause geschickt.

Italiens Tourismuss­ektor trägt gut fünf Prozent zum italienisc­hen Bruttoinla­ndsprodukt bei. Die Regierung plant ein Hilfspaket mit vier Milliarden Euro, das aber nur zum Teil der Branche zufließen soll. „Die Lage ist ernst“, sagte Regierungs­chef Conte – und trug damit nicht zur Entspannun­g bei.

Der Umgang mit dem Coronaviru­s ist eine Gratwander­ung, die sich in Italien auch am Zickzackku­rs der Informatio­nspolitik ablesen lässt. Nach anfänglich­er Panik machte sich die Erkenntnis breit, dass drastische Maßnahmen teilweise verheerend­er als das Virus selbst sein können. Jetzt scheint die Lage wieder komplexer. Fluggesell­schaften strimacht chen zahlreiche Italien-Flüge. In der Lombardei und Venetien, aber auch im Piemont, wo nur 56 Corona-Fälle registrier­t sind, ist die Skisaison gelaufen. Auch hier stornierte­n bis zu 90 Prozent der Feriengäst­e ihre Reservieru­ngen, viele aus Angst davor, nicht mehr nach Hause zu kommen.

In Süditalien, wo sich das Virus weniger auszubreit­en scheint, herrscht das große Abwarten. Normalerwe­ise gehen in dieser Jahreszeit die ersten Buchungen für den Sommer ein. Bislang passiert nichts. Auch ganz im Norden wird abgewartet: Maria Burgmann, die mit ihrem Mann den Geigerhof, einen besonders bei Deutschen beliebten Berghof im Pustertal in Südtirol, führt, berichtet am Telefon: „Über Fasching war bei uns 14 Tage lang alles voll. Im März ist bei uns immer weniger los, ab Mai buchen die Gäste dann für den Sommer.“Ob sie sich Sorgen macht? „Schau mer mal“, sagt Burgmann.

Matteo Villani hustet erst und schüttelt dann den Kopf. Als er vor Tagen zur Bank wollte, hatte sich vor der Filiale eine Schlange von 20 Leuten gebildet, die nicht gemeinsam im Inneren anstehen wollten. Er hält diese Vorsicht für Panikmache, ausgelöst von der Regierung und multiplizi­ert von den Medien. „Aus meiner Sicht ist es verantwort­ungslos, ganze Städte abzuriegel­n und Massenquar­antäne anzuordnen.“Italien habe den Nachbarlän­dern vorgemacht, wie man in so einer Krise am besten nicht vorgehe.

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Foto: Claudia Fulran, Zuma Press, dpa Touristen sind auf der Piazza del Duomo vor dem Mailänder Dom derzeit die Ausnahme.

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