Wertinger Zeitung

Schöner, verschwend­erischer Stoff

Mode Das Londoner Victoria & Albert Museum widmet dem Kimono und seiner Geschichte eine eigene Ausstellun­g

- VON KATRIN PRIBYL

London So viel Stoff. Mal schimmert er in verschwend­erischer Schönheit, mal leuchten seine Farben so grell, dass man nichts anderes mehr wahrnimmt. Mal handelt es sich bei den feinen Stickereie­n um dekorative Muster, mal sind es Szenen aus der Geschichte Japans. So viel Stoff. So viel wunderbare Verschwend­ung. Dabei ist der Trend, der im Londoner Victoria & Albert Museum gezeigt wird, läppische 400 Jahre alt. Eigentlich nur eine „Anziehsach­e“im wahrsten Sinne des Wortes, denn nichts anderes heißt das Wort „Kimono“übersetzt.

Das Museum zeigt nun anhand von rund 300 Exponaten die kulturgesc­hichtliche Bedeutung dieses Kleidungss­tücks, dessen Verwandlun­g

durch die Jahrhunder­te und den Einfluss auf westliche Mode und Designer. Die Ausstellun­g, die bis 21. Juni läuft, nimmt die Besucher mit auf eine fasziniere­nde Reise durch die Zeit dieses vermeintli­ch simplen, angeblich unveränder­lichen Stück Stoffs. Macht und Mode, Sex und Verlangen, Politik und Stärke, Geheimnisv­olles und Beklemmend­es – alles kann, alles wird durch den Kimono erzählt.

Die Geschichte beginnt in Räumen, in denen Holzschnit­te und seltene Kimonos für Frauen, Männer und Kinder zeigen, wie die Kaufmannsk­lasse in der Edo-Zeit im 17. und 18. Jahrhunder­t ihren Status, Reichtum und Stil mit ihrer Kleidung ausdrückte. Auf einem Farbholzsc­hnitt von Utagawa Hiroshige aus den 1840er Jahren ist im Hintergrun­d

der Mount Fuji zu sehen, im Vordergrun­d, natürlich, ein Kimono-Geschäft abgebildet. Hier ist Japan, nicht London.

Erst Ende des 19. Jahrhunder­ts öffnete sich Japan dem Rest der Welt. Die Niederländ­er brachten das Gewand nach Europa, wo es an die hiesigen Geschmäcke­r angepasst wurde, etwa als Schlafrock oder Morgenmant­el. Europa war im Bann Japans. Doch auch der Import von Textilien in das asiatische Land beeinfluss­te die Gestaltung der bisherigen Kimonos mit den weiten Ärmeln, in der Taille durch einen Gürtel, den Obi, zusammenge­halten.

Das Symbol Japans mag oft als traditione­lle und zeitlose Kleidung betrachtet werden. Es sei aber vor allem „dynamisch“und entwickle sich ständig weiter, betont Museumsdir­ektor Tristram Hunt. Der Kimono habe über Jahrhunder­te „einen enormen Einfluss auf internatio­nale Kleidungss­tile“gehabt. Typisch für das Victoria & Albert Museum quillt die Schönheit der Stücke zum Ende hin fast über. Hier ein wunderbar fallendes weißes Brautkleid mit Kapuze und Brusttasch­e für Fächer, Kamm und kleinen Dolch. Dort fein bestickte HauteCoutu­re-Kleider wie jenes silberglän­zende Seidengewa­nd der Sängerin Björk, das Alexander McQueen für ihr Albumcover „Homogenic“entworfen hat. Daneben wird Jean Paul Gaultiers umwerfende­s knallrotes Kimono-Ensemble gezeigt, das er für Madonnas Musikvideo „Nothing Really Matters“kreiert hat. Auch die Entwürfe von John Galliano für Dior, Yves Saint Laurent und Rei Kawakubo zeugen von der Inspiratio­n des Gewands für die Modeschöpf­er.

Lange sah es danach aus, als ob der Kimono in Japan aussterben würde, erklärt Co-Kuratorin Josephine Rout. „Vor 20 Jahren hatte er so etwas wie eine Wiederaufe­rstehung, als junge Leute ihn als Reaktion auf die Allgegenwa­rt von westlicher schnell wechselnde­r Mode getragen haben.“

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Foto:Museum

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