Wie Kevin Kühnert die SPD retten will
Parteien Der Juso-Chef glaubt an das neue SPD-Spitzenduo und fordert eine Entscheidung über den Kanzlerkandidaten noch in diesem Jahr. Mit neuen Konzepten könne die Partei durchaus den nächsten Bundeskanzler stellen
Augsburg Sogar als Discjockey tritt Kevin Kühnert auf und tourt durch Bayern. Der 30-Jährige gilt derzeit als Geheimwaffe der SPD im Kommunalwahlkampf. Das war schon in Hamburg so, als die dortigen Sozialdemokraten demonstrativ auf die Präsenz der neuen Parteichefs Saskia Esken und Norbert WalterBorjans verzichtet haben. Kühnert, der als Erfinder des Spitzenduos gilt, quittiert es mit einem Lächeln: „Also ich bin auch Teil der neuen Parteispitze, war viel unterwegs im Hamburger Wahlkampf und freue mich, dass auch zahlreiche Jusos in die neue Bürgerschaft eingezogen sind“, sagt der Juso-Chef.
Natürlich glaubt Kühnert noch an einen Erfolg seines Vorsitzendenduos: Der große Vorteil der beiden sei, dass sie nicht so sehr mit der jüngeren Politik der SPD in Verbindung gebracht werden, etwa der Hartz-IV-Diskussion. „Sie können viel besser neue Konzepte repräsentieren, wie wir sie zur Zukunft des Sozialstaats schon beschlossen haben“, sagt Kühnert.
Zurzeit werde die SPD nur immer mit der unbeliebten Großen Koalition gleichgesetzt. „Nach 15 Jahren Angela Merkel gibt es ein Bedürfnis nach größeren politischen Entscheidungen“, betont Kühnert.
„Zum Beispiel schieben wir die Frage nach der Zukunft der Rentenpolitik oder die Einführung einer Bürgerversicherung wegen grundsätzlicher Konflikte mit der Union lange vor uns her. “
Neue große Konzepte für eine moderne Gesellschaft der Zukunft, so lautet Kühnerts Rezept, mit der er die SPD nicht nur vor dem Absturz retten will, sondern sogar in die Lage bringen will, den nächsten Regierungschef zu stellen. „Es kann inzwischen gut sein, dass eine Partei mit 24, 25 Prozent am Ende auch den oder die Kanzlerin stellt.“Auch wenn er sich selbstverständlich keine Namen entlocken lässt, fordert der Juso, der inzwischen auch stellvertretender SPD-Chef ist, eine Entscheidung über den Kanzlerkandidaten noch in diesem Jahr.
„Unser Hauptinteresse ist, dass wir diese Frage schneller klären“, betont Kühnert. „Wir sind die letzten zwei Mal spät und unstrukturiert in die Entscheidung hineingestolpert. Kandidat und Programm haben nicht gut zueinandergepasst, die Kampagne war nicht gut vorbereitet.“Die neue SPD-Führung befinde sich schon jetzt in der Vorphase des Wahlkampfs, verrät er. Auch um schnell reagieren zu können, falls die Entscheidung der CDU über ihren neuen Parteichef die Koalition ins Wackeln bringt.
Manche sehen sogar in Kühnert einen möglichen Kanzlerkandidaten. Ex-Parteichef Sigmar Gabriel pries den Juso jüngst zwar als „Supertalent“, riet dem pausierenden Studenten aber, erst mal einen Beruf zu erlernen. Kühnert bemüht sich, nicht genervt zu wirken: „Wir haben jetzt alle mitbekommen, Sigmar Gabriel hat ein neues Buch geschrieben“, kontert er. „Offenkundig bin ich nun ungefragt zum Werbeträger dafür geworden und erdulde das mit sozialdemokratischer Gelassenheit.“
Auch Kühnert hat einen Rat an Gabriel, der seine berufliche Karriere ausgerechnet als Aufsichtsrat der Deutschen Bank krönt: „Die mindeste Erwartung ist, dass er nun im sozialdemokratischen Sinne sein Gewicht für den Schutz von Arbeitsplätzen einsetzt, die bei den Umstrukturierungen der Deutschen Bank zur Disposition stehen.“„Denn“, so fügt der Juso hinzu, „es war schon häufiger der Fall, dass manche nach einer langen politischen Karriere das Gespür dafür verloren haben, dass sie mit der Partei identifiziert werden“.
Auch wenn Kühnert inzwischen als stellvertretender SPD-Chef eine neue verantwortungsvollere Rolle zugewachsen ist, hat er sich noch immer nicht mit der Großen Koalition angefreundet. „Nein, das habe ich nicht“, betont er. „Unsere Forderung war aber nicht raus aus der Großen Koalition, sondern von Anfang an nicht hineinzugehen.“
Doch zwei Drittel der SPD-Mitglieder hätten zu seinem Leidwesen eine andere Entscheidung getroffen. Nun gehe es darum, die Positionen der SPD in der verbleibenden Regierungszeit
nachzuschärfen, damit es nicht doch noch zum Bruch kommt. „Wir haben auf dem Parteitag im Dezember beschlossen, dass mehr Tempo in die Koalition rein muss und verschiedene Themenbereiche neu verhandelt werden müssen“, sagt er. Ob das gelingt, könnte sich am Sonntag zeigen, wenn die Parteichefs zum Koalitionsausschuss zusammenkommen.
„Wir fordern zum Beispiel ein enormes Investitionspaket in Milliardenhöhe für die kommenden zehn Jahre. Wir schieben in Bund, Ländern und Kommunen einen riesigen Investitionsstau vor uns her, da muss sich auch die Union mal bewegen“, sagt SPD-Vizechef Kühnert.
Zudem müsse der Deckel für den Ausbau der Solarenergie wegfallen und eine Lösung für den erlahmten Ausbau der Windkraft her: „Wir brauchen jetzt Planungssicherheit, sonst schaffen wir die Energiewende und mit ihr die Klimaziele nicht.“
Der Juso-Chef dringt auf eine klare Führungsrolle seiner Partei. Die Wahlen in Hamburg hätten gezeigt, je näher der Wahltag rücke, desto mehr komme es auf die Personen an der Spitze an. „Nicht zum ersten Mal zeigt sich, dass wir Sozialdemokraten dabei eine große Stärke haben – auch gegenüber den Grünen.“Und auch die Linke kritisiert der Rot-Rot-Grün-Befürworter scharf: Es sei ein Skandal, dass Linke-Parteichef Bernd Riexinger nicht sofort eingriff, als eine Rednerin bei einem Strategietreffen der Partei schwadronierte, bei einer Revolution ein Prozent der Reichen zu erschießen. „Der Wortbeitrag war aber eine Geschmacklosigkeit sondergleichen“, sagt Kühnert.
„Von politischem Spitzenpersonal ist ein klarer Wertekompass zu erwarten, der gegen eine solche Wortwahl sofort einschreitet. Wir können nicht beklagen, dass das gesellschaftliche Klima verroht, und dass aus Worten Taten werden, und dann so etwas tolerieren.“Die Linke müsse klären, ob Riexinger noch die Partei repräsentieren könne.
Der 30-Jährige erduldet Sigmar Gabriels Ratschläge
Heftige Kritik an Linksparteichef Riexinger