„Hass und Hetze sind keine politische Haltung“
Bundestag Hanau bringt die AfD in Bedrängnis. Doch die Partei wirft den anderen Spaltung vor
Berlin Vor zwei Wochen erschoss ein 43-jähriger Deutscher neun Menschen mit ausländischen Wurzeln, die Tat von Hanau erschütterte das Land. Die Wellen der Erschütterung waren auch im Bundestag zu spüren. Das Parlament debattierte emotional über das Attentat, viele Redner verzichteten unter den wachsamen Augen von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier auf übertriebene Angriffe auf den politischen Gegner. Die Ausnahme bildete einmal mehr die AfD, die von anderen Parteien in die Nähe des Rechtsextremismus gerückt wurde.
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble gab einen Gedanken vor, der sich dann wie ein roter Faden durch viele Redebeiträge zog. „Dass sich Menschen in Deutschland nicht mehr sicher fühlen, ist ein unhaltbarer Zustand“, sagte der CDU-Politiker und mahnte eine wachsame Regierung an. Die Menschen hätten dann Vertrauen, wenn der Staat seiner Verpflichtung gerecht werde, allen Schutz zu gewähren. Schäuble forderte das Parlament zu Selbstkritik und entschlossenem Handeln auf. „Das sind wir den Ermordeten von Hanau schuldig.“
Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus erklärte, Hanau sei „ein Anschlag auf uns alle“gewesen. „Der Feind unserer Demokratie steht in diesen Tagen rechts – und nirgendwo anders“, stellte der CDU-Politiker fest. „Wir haben zu viel geredet, es kommt auf die Taten an“, stellte er selbstkritisch fest und forderte seine Parlamentskollegen dazu auf, „mehr an Zeit und Geld im Kampf gegen diesen Hass zu investieren“. Die Antwort könne nur ein „starker Staat“sein.
Unruhe kam im Saal unter der Reichstagskuppel auf, als es der AfD-Politiker Roland Hartwig mit Häme versuchte. Das Parlament werde „heute viel Einigkeit erleben“, ätzte er. Es sei „doch schön, wenn man einen Feind hat und weiß, wo er steht, nämlich rechts“, sagte Hartwig und ergänzte, der Feind stehe aber auch links. Den anderen Parteien warf er vor, durch eine „Spaltung“der Gesellschaft in Gut und Böse „Räume der Radikalisierung“geschaffen zu haben. „Ihre Abwehrpolitik hat ein Klima der Angst geschaffen. Jetzt kommen wir als AfD und halten Ihnen den Spiegel vor“, so Hartwig.
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich ging die AfD offensiv an: Hanau sei rassistischer und rechter Terror gewesen. „Vielleicht war es ein Einzeltäter, aber er wurde getragen von einem System der Hetze, der Erniedrigung und der Anleitung zu Gewalt, und diese Spur führt hinein in den Bundestag und die AfD ist der Komplize.“Mützenich erinnerte an AfD-Fraktionschefin Alice Weidel, die im Bundestag von „Burkas, Kopftuchmädchen und alimentierten Messermännern und sonstigen Taugenichtsen“gesprochen hatte, und verwies auf AfDParteisprecher Alexander Gauland, der Hitler und Nazis als Vogelschiss der Geschichte bezeichnet hatte.
Der FDP-Außenpolitiker Bijan Djir-Sarai verwies in einem sehr persönlichen Beitrag auf Entwicklungen in Deutschland, „die mich beunruhigen und zutiefst schockieren.“Jeder Bürger mit Migrationshintergrund könne Geschichten von Rassismus erzählen, sagte Bijan Djir-Sarai, dessen Eltern Iraner sind.
Für die Linksfraktion erklärte Vorsitzender Dietmar Bartsch, die „blutige Spur des Rechtsextremismus“ziehe sich bereits seit Jahrzehnten durch Deutschland. Für die Grünen stellte Omid Nouripour die Frage: „Wann hört dieser Wahnsinn auf?“Wie lange noch müssten Menschen sterben, weil sie anderen Glaubens oder anderer Herkunft seien, fragte er und forderte neben einem „Aufstand der Anständigen“zuvorderst einen „Aufstand der Zuständigen“bei Bundeswehr, Justiz, Polizei und Verwaltung.