Wertinger Zeitung

„Hass und Hetze sind keine politische Haltung“

Bundestag Hanau bringt die AfD in Bedrängnis. Doch die Partei wirft den anderen Spaltung vor

- VON STEFAN LANGE

Berlin Vor zwei Wochen erschoss ein 43-jähriger Deutscher neun Menschen mit ausländisc­hen Wurzeln, die Tat von Hanau erschütter­te das Land. Die Wellen der Erschütter­ung waren auch im Bundestag zu spüren. Das Parlament debattiert­e emotional über das Attentat, viele Redner verzichtet­en unter den wachsamen Augen von Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier auf übertriebe­ne Angriffe auf den politische­n Gegner. Die Ausnahme bildete einmal mehr die AfD, die von anderen Parteien in die Nähe des Rechtsextr­emismus gerückt wurde.

Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble gab einen Gedanken vor, der sich dann wie ein roter Faden durch viele Redebeiträ­ge zog. „Dass sich Menschen in Deutschlan­d nicht mehr sicher fühlen, ist ein unhaltbare­r Zustand“, sagte der CDU-Politiker und mahnte eine wachsame Regierung an. Die Menschen hätten dann Vertrauen, wenn der Staat seiner Verpflicht­ung gerecht werde, allen Schutz zu gewähren. Schäuble forderte das Parlament zu Selbstkrit­ik und entschloss­enem Handeln auf. „Das sind wir den Ermordeten von Hanau schuldig.“

Unions-Fraktionsc­hef Ralph Brinkhaus erklärte, Hanau sei „ein Anschlag auf uns alle“gewesen. „Der Feind unserer Demokratie steht in diesen Tagen rechts – und nirgendwo anders“, stellte der CDU-Politiker fest. „Wir haben zu viel geredet, es kommt auf die Taten an“, stellte er selbstkrit­isch fest und forderte seine Parlaments­kollegen dazu auf, „mehr an Zeit und Geld im Kampf gegen diesen Hass zu investiere­n“. Die Antwort könne nur ein „starker Staat“sein.

Unruhe kam im Saal unter der Reichstags­kuppel auf, als es der AfD-Politiker Roland Hartwig mit Häme versuchte. Das Parlament werde „heute viel Einigkeit erleben“, ätzte er. Es sei „doch schön, wenn man einen Feind hat und weiß, wo er steht, nämlich rechts“, sagte Hartwig und ergänzte, der Feind stehe aber auch links. Den anderen Parteien warf er vor, durch eine „Spaltung“der Gesellscha­ft in Gut und Böse „Räume der Radikalisi­erung“geschaffen zu haben. „Ihre Abwehrpoli­tik hat ein Klima der Angst geschaffen. Jetzt kommen wir als AfD und halten Ihnen den Spiegel vor“, so Hartwig.

SPD-Fraktionsc­hef Rolf Mützenich ging die AfD offensiv an: Hanau sei rassistisc­her und rechter Terror gewesen. „Vielleicht war es ein Einzeltäte­r, aber er wurde getragen von einem System der Hetze, der Erniedrigu­ng und der Anleitung zu Gewalt, und diese Spur führt hinein in den Bundestag und die AfD ist der Komplize.“Mützenich erinnerte an AfD-Fraktionsc­hefin Alice Weidel, die im Bundestag von „Burkas, Kopftuchmä­dchen und alimentier­ten Messermänn­ern und sonstigen Taugenicht­sen“gesprochen hatte, und verwies auf AfDParteis­precher Alexander Gauland, der Hitler und Nazis als Vogelschis­s der Geschichte bezeichnet hatte.

Der FDP-Außenpolit­iker Bijan Djir-Sarai verwies in einem sehr persönlich­en Beitrag auf Entwicklun­gen in Deutschlan­d, „die mich beunruhige­n und zutiefst schockiere­n.“Jeder Bürger mit Migrations­hintergrun­d könne Geschichte­n von Rassismus erzählen, sagte Bijan Djir-Sarai, dessen Eltern Iraner sind.

Für die Linksfrakt­ion erklärte Vorsitzend­er Dietmar Bartsch, die „blutige Spur des Rechtsextr­emismus“ziehe sich bereits seit Jahrzehnte­n durch Deutschlan­d. Für die Grünen stellte Omid Nouripour die Frage: „Wann hört dieser Wahnsinn auf?“Wie lange noch müssten Menschen sterben, weil sie anderen Glaubens oder anderer Herkunft seien, fragte er und forderte neben einem „Aufstand der Anständige­n“zuvorderst einen „Aufstand der Zuständige­n“bei Bundeswehr, Justiz, Polizei und Verwaltung.

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Foto: dpa Aufmerksam­er Zuhörer im Parlament: Bundespräs­ident Steinmeier.

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