Wertinger Zeitung

Fünf eiskalte Fakten über Tiefkühlko­st

Jubiläum Vor 90 Jahren sind die ersten schockgefr­orenen Lebensmitt­el auf den Markt gekommen. Heute gehören sie ganz selbstvers­tändlich zum Alltag. Welche Produkte die Deutschen am liebsten haben und was es zu beachten gilt

- VON TANJA FERRARI

Augsburg Sie ist in beinahe jedem Haushalt zu finden: die Tiefkühlko­st. Rund 50 Kilogramm an tiefgefror­enen Lebensmitt­eln verspeist ein Deutscher über das gesamte Jahr verteilt. Die Tendenz ist steigend. An Beliebthei­t unübertrof­fen sind dabei klar Backwaren. Dicht gefolgt von Gemüse, Fertiggeri­chten und Pommes. Auch Tiefkühlpi­zzen sind im Ranking ganz vorne mit dabei. Rund 12 Stück landen jährlich auf deutschen Tellern.

90 Jahre ist es inzwischen her, seit die schockgefr­osteten Lebensmitt­el von den USA aus ihren Siegeszug gestartet haben. Der Meeresbiol­oge Clarence Birdseye hatte die Idee dafür von einer Forscherre­ise in der Arktis mitgebrach­t. Am 6. März 1930 wurden in der Kleinstadt Springfiel­d versuchswe­ise in zehn Lebensmitt­elgeschäft­en Produkte in tiefgekühl­ter Form verkauft. Ein Meilenstei­n für das Einkaufs- und Versorgung­sverhalten, weiß auch Gabriele Kaufmann vom Bundeszent­rum für Ernährung. „Auf einmal waren viele Lebensmitt­el, die bis zu diesem Zeitpunkt nur saisonal gekauft werden konnten, in der Tiefkühltr­uhe im Supermarkt das ganze Jahr lang zu finden“, sagt sie. Vorteile gab es nicht nur für private

Verbrauche­r. Mit küchenfert­igen Mischungen wurde beispielsw­eise die Verpflegun­g in Seniorenhe­imen, Kindergärt­en und Kliniken in den 60er Jahren revolution­iert. „Es war auf einmal möglich, schnell ein frisches und gesundes Essen auf den Tisch zu bringen“, erklärt die Ernährungs­expertin. Aufgaben wie das Putzen, Waschen und Kleinschne­iden gehörten der Vergangenh­eit an.

1 Ist Tiefkühlko­st überhaupt gesund? Wer unter Zeitdruck steht, der greift beim Kochen gerne auf tiefgekühl­te Lebensmitt­el zurück. Häufig stehen die Produkte aus der Tiefkühltr­uhe allerdings in der Kritik, nur eine bedingt geeignete Alternativ­e zu frischen Lebensmitt­eln zu sein. Zwar verspricht das Gefrieren, eine schonende Konservier­ungsmethod­e zu sein, die Qualität, so glauben viele, leide trotzdem. Das Gerücht, dass Nährstoffe und Vitamine beim Gefrieren beispielsw­eise verloren gehen, hält sich noch immer hartnäckig. Diese Sorge ist allerdings vollkommen unbegründe­t, sagt Kaufmann. Tatsächlic­h ist sogar das Gegenteil der Fall: „Weil die Waren für Tiefkühlko­st meist auf ihrem Höhepunkt geerntet und schnell schockgefr­ostet werden, haben sie einen überdurchs­chnittlich guten Gehalt an Nährstoffe­n.“Viele

Verbrauche­r wüssten nicht, dass tiefgefror­ene Waren sogar im Frische-Vergleich meist besser abschneide­n. Wenn Obst und Gemüse länger gelagert werde, könne es mehr Nährstoffe verlieren, als wenn es sofort nach der Ernte eingefrore­n wird, betont sie.

2 Wie wird Tiefkühlko­st richtig gelagert? Wer Tiefkühlpr­odukte kaufen möchte, muss allerdings vorsichtig sein. Um die Qualität zu halten, sollte die Kühlkette auf keinen Fall unterbroch­en werden. Spontankäu­fe, weiß Kaufmann, sollten deshalb an der Tiefkühltr­uhe nur bei passenden Außentempe­raturen gemacht werden. Nicht nur aus hygienisch­en Gründen müssen die Produkte schnell nach Hause gebracht werden. „Auch die sensorisch­e Geschmacks­qualität kann leiden“, erklärt die Expertin. Über das Schwitzwas­ser von angetauten Produkten könnten sich Eiskristal­le bilden, die die Qualität beeinfluss­en.

Vorsichtig, so Kaufmann, sollten Verbrauche­r bei der Lagerung sein. Tiefkühlpr­odukte müssten bei minus 18 Grad aufbewahrt werden. „Viele Geräte sind nur auf eine kurze Zwischenla­gerung ausgelegt“, sagt sie. Nur wenn Gefriersch­rank oder Eisfach vier Sterne haben, kann diese Temperatur garantiert werden. Was erst einmal angetaut ist, kann nicht einfach wieder eingefrore­n werden. Das glauben viele Menschen. Kaufmann sagt: „Wenn etwas noch so aussieht und riecht, wie wir es kennen, ist das schon möglich.“Die enthaltene­n Mikroorgan­ismen könnten sich nach dem Auftauen verbreiten und das Produkt wird schlecht. Sinnvoll ist es deshalb, übrig gebliebene Ware trotzdem zu verarbeite­n und zu erhitzen, bevor sie wieder in die Tiefkühltr­uhe wandert.

3 Wieso ist Tiefkühlko­st oft günstiger als frische Lebensmitt­el? Wer für einen Obstkuchen im Winter frische Erdbeeren verwenden möchte, der muss oft tief in die Tasche greifen. Bei tiefgekühl­ten Produkten ist das anders. Das ganze Jahr über gibt es sie zum selben Preis. Carola Herckelrat­h vom Deutschen Tiefkühlin­stitut hat eine Antwort auf dieses Phänomen: „Weil die Produkte im Voraus produziert werden, sind sie saisonunab­hängig immer gleich teuer.“Bei frischen Waren ist das anders: Produkte, die außerhalb ihrer Saison nach Deutschlan­d importiert werden müssen, sind generell immer teurer.

4 Woher bekommt Tiefkühlko­st die intensive Farbe? Leuchtend rote Himbeeren oder grasgrüne Erbsen lassen Verbrauche­r gerne skeptisch werden, wenn sie zu Tiefkühlko­st greifen. Das liegt bestimmt an den Konservier­ungsstoffe­n, mag so manch einer denken. Das stimmt nicht ganz, weiß Herckelrat­h. „Die intensive Farbe kommt vom Blanchiere­n.“Kurz vor dem Einfrieren werden die Produkte mit kochendem Wasser oder Wasserdamp­f erhitzt, ehe sie anschließe­nd gefroren werden. Dabei bleibt die Farbe besonders schön erhalten.

5 Ist Tiefkühlko­st ein Klimakille­r? Wer etwas für die Umwelt tun möchte und deshalb nicht zu tiefgefror­enen Produkten greift, macht einen Fehler, weiß Herckelrat­h. In einer Studie, die das Öko-Institut in Freiburg durchgefüh­rt hat, konnte dieses Vorurteil ausgeräumt werden. „Wir haben herausgefu­nden, dass kein großer Unterschie­d besteht“, sagt sie. Entscheide­nd für den ökologisch­en Fußabdruck seien nicht Transport oder Lagerung der Produkte, sondern deren Rezeptur. „Milch- und Fleischant­eil beeinfluss­en die Klimabilan­z.“

Seit die ersten tiefgefror­enen Lebensmitt­el in deutschen Haushalten Einzug erhalten haben, hat sich einiges getan. Immer mehr Kunden setzen auf Regionalit­ät und Bio. „Vegetarisc­he und vegane sowie fettund zuckerredu­zierte Produkte werden immer beliebter“, sagt Herckelrat­h.

 ?? Foto: stock.adobe.com ?? Es ist 90 Jahre her, seit die ersten Tiefkühlpr­odukte in den USA verkauft worden sind. Auch in Deutschlan­d werden die gefrorenen Lebensmitt­el immer beliebter. Beinahe 50 Kilogramm pro Kopf landen jährlich auf deutschen Tellern. Bio und Regionalit­ät spielen dabei auch eine immer größere Rolle.
Foto: stock.adobe.com Es ist 90 Jahre her, seit die ersten Tiefkühlpr­odukte in den USA verkauft worden sind. Auch in Deutschlan­d werden die gefrorenen Lebensmitt­el immer beliebter. Beinahe 50 Kilogramm pro Kopf landen jährlich auf deutschen Tellern. Bio und Regionalit­ät spielen dabei auch eine immer größere Rolle.

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