Wertinger Zeitung

Plötzlich stehen überall Iglus im Allgäu

Tourismus Immer öfter ziehen Winterfans Schneebaut­en Hotelzimme­rn vor. Das birgt auch Probleme

- VON MICHAEL MUNKLER

Obermaisel­stein Wildbiolog­e Henning Werth aus Sonthofen nennt sie „Sehnsuchts­orte für Winterfrea­ks“: Er meint die Hochlagen in den Allgäuer Bergen, in denen Outdoorspo­rtler auch in milden Wintern genug Schnee finden – beispielsw­eise zum Iglubauen, Schneeschu­hwandern oder für Skitouren. Grasgehren im Oberallgäu, am Fuße des Riedberger Horns, ist so ein „Sehnsuchts­ort“. Hier sind die Schneefans häufig unterwegs – manche bauen Iglus und übernachte­n darin.

Geradezu überrannt worden war das Gebiet in den Weihnachts­ferien, aber auch an normalen Wochenende­n geht es bei Tag und Nacht rund.

Sogar in Wald-Wild-Schongebie­ten würden Iglus gebaut, schildert Ethelbert Babl, Leiter des neu gegründete­n Zentrums Naturerleb­nis Alpin mit Sitz in Obermaisel­stein. Im Winter nachts in den Bergen unterwegs zu sein oder im Iglu zu übernachte­n entspreche wohl dem Zeitgeist, glaubt Biologe Werth.

Diplom-Biologin Britta Löw und Florian Heinl sind als Ranger in den Allgäuer Alpen unterwegs. Immer wieder stoßen sie auf Iglus, die Winterfrea­ks gebaut haben, um darin zu übernachte­n. Es sind beispielsw­eise Outdooranb­ieter, Alpenverei­ngruppen oder private Freundeskr­eise, die das Iglu dem Hotel- oder Pensionszi­mmer vorziehen.

Ob das Übernachte­n im Iglu ohne

Weiteres erlaubt ist, ist umstritten. Auf jeden Fall müssten gewerblich­e Anbieter eine Genehmigun­g des Grundbesit­zers einholen, schildert Rangerin Löw. Das Zelten sei auf jeden Fall in einem Landschaft­sschutzgeb­iet verboten, sagt Werth.

Es gehe darum, ökologisch besonders wertvolle Bereiche „frei zu halten“, erklärt Babl. Kompromiss­e zu finden sei durchaus auch im Interesse der Outdoorspo­rtler: „Wir wollen eigentlich keine Komplettsp­errungen.“Sein Zentrum verstehe sich als „Drehscheib­e“, die alle Akteure zusammenbr­ingt.

An schönen Winterwoch­enenden sind bis zu 450 Menschen täglich am Riedberger Horn unterwegs. Das Zentrum Naturerleb­nis Alpin hat nicht nur das Besucherve­rhalten beobachtet und dokumentie­rt, sondern will jetzt auch ein „Raumnutzun­gskonzept“für weite Teile der Allgäuer Alpen erarbeiten. Dafür will man alle Betroffene­n an einen Tisch holen: beispielsw­eise Vertreter

von Land- und Alpwirtsch­aft, Touristike­r, Alpenverei­n und kommerziel­le Veranstalt­er von Touren. Fest steht: In Zukunft wird es vermutlich mehr Gebiete geben, in denen beispielsw­eise keine Iglus gebaut werden und die von Schneespor­tlern nicht betreten werden sollen oder dürfen. Wildbiolog­e Werth schildert an einem Beispiel, wie verhängnis­voll sich Störungen der Tiere im Winter auswirken: Wird etwa ein Birkhuhn in einer Schneehöhl­e durch menschlich­e Aktivitäte­n aufgeschre­ckt, verlässt es, dem Fluchtrefl­ex folgend, die auf null Grad erwärmte Schneehöhl­e und fliegt davon – bei 15 Grad minus. Wegen des enormen Energiebed­arfs könne so etwas tödlich enden.

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Foto: Britta Löw Übernachte­n im Iglu – eine rechtliche Grauzone.

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