Sex, Biathlon und Corona
Sportler sind bisweilen Meister im Jonglieren mit Worthülsen. Hauptsache die Luft scheppert. Wer sich daran erinnert, wie Philipp Lahm locker eine Stunde lang analysieren kann, ohne auch nur annähernd den Nagel, geschweige denn denselbigen auf den Kopf zu treffen, weiß, wovon die Rede ist. Der Biathlet Michal Krcmar dagegen trifft mit einem Schuss ins Schwarze, wenn er die Situation beim Weltcup in seiner Heimat Nove Mesto schildert: „Das ist wie Sex ohne Orgasmus.“Wegen des Coronavirus herrscht in der tschechischen Biathlon-Hochburg gespenstische Stille. Über 100 000 Besucher hatten die Organisatoren erwartet, doch aus Sorge vor einer Ausbreitung der Lungenkrankheit geht der Weltcup ohne Zuschauer über die Bühne. Nun peitschen die Schüsse durch ein leer gefegtes Stadion und von den Tribünen fehlt das obligatorische „Hey“bei jedem Treffer.
Die deutsche Starterin Vanessa Hinz nimmt es mit Humor. Das sei Biathlon wie früher im Schülercup, als nur die Eltern an der Loipe standen und die Pimpfe nach vorne peitschten. In Nove Mesto wurden zudem alle Pressekonferenzen abgesagt und in der Mixed-Zone, wo sich Athleten und Sportler nach den Rennen unterhalten können, mischt sich nichts mehr. Nur noch im Mindestabstand von eineinhalb Metern dürfen sich die Beteiligten dort unterhalten. Seltsam: Während die Schweiz bei Sportveranstaltungen rigide durchgreift, finden in der Fußball-Bundesliga die Spiele vor zigtausenden Zuschauern statt. Der französische Biathlet Martin Fourcade vermisst die Konsequenz. Die tschechischen Fans dürfen nicht ins Stadion reisen, obwohl die Biathleten vor weniger als 14 Tagen in Italien waren und im Antholzer Tal um WM-Medaillen kämpften. Ein deutscher Fan, der in der Südtirol-Arena eine Woche bis zum WM-Ende am 23. Februar war, soll laut italienischen Medienberichten positiv auf das neuartige Virus getestet worden sein.