Mehr Hilfe für Flüchtlingskinder
Migration Sieben deutsche Städte wollen junge Flüchtlinge aus Griechenland aufnehmen. In der Bevölkerung ist die Mehrheit nach einer aktuellen Umfrage jedoch dagegen
Augsburg Die Bilder, die aus den griechischen Flüchtlingslagern nach Deutschland dringen, sind erschreckend: Kinder streifen zwischen Plastikzelten und Müllsäcken umher, spielen im Schlamm und schlafen auf dem Boden. Rund 7000 junge Asylsuchende leben aktuell im größten Flüchtlingslager Europas, das sich in Moria auf der Insel Lesbos befindet. „Moria ist eine Schande für die Europäische Union“, sagt Heinz Hilgers, Präsident des Kinderschutzbundes, im Gespräch mit unserer Redaktion. Er fordert, unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Deutschland aufzunehmen.
Die Grünen fielen mit einem entsprechenden Antrag jedoch zuletzt im Bundestag durch: Abgeordnete von Union und SPD stimmten dagegen, 5000 besonders schutzbedürftige Flüchtlinge aus Griechenland nach Deutschland zu holen. Dabei stehen viele Abgeordnete der SPD inhaltlich hinter dem Vorstoß. Auch Bundesinnenminister Horst Seehofer hatte in den vergangenen Tagen signalisiert, dass er unter bestimmten Bedingungen offen für die Aufnahme von Kindern und Jugendlichen sei. Der CSU-Politiker plädierte allerdings – wie auch die SPD – für eine europäische Lösung, die von einer „Koalition der Willigen“vorangetrieben werde.
Ylva Johansson, EU-Kommissarin für Inneres, will kommende Woche mit der Regierung in Athen über eine solche Lösung für die minderjährigen Flüchtlinge beraten. „Es ist dringend nötig, sie von diesen Bedingungen auf den Inseln wegzubekommen und einen Zufluchtsort für sie zu haben“, betonte die Schwedin. Wie eine solche Lösung aussehen könnte, ist allerdings unklar. Bei dem Treffen in Athen soll es laut EU-Kommission vor allem um die Weiterreise der Flüchtlingskinder in jene Mitgliedstaaten gehen, die sie aufnehmen wollen.
In Deutschland signalisieren bereits einige Städte Bereitschaft, junge Flüchtlinge aufzunehmen – aktuell dürfen sie es aber noch nicht. Die Bürgermeister von sieben Kommunen – darunter Düsseldorf, Köln und Hannover – haben die Bundesregierung deshalb in einer gemeinsamen Erklärung dazu aufgefordert, die rechtlichen Grundlagen für Städte zu schaffen. Aktuell werden Asylsuchende nach einem Schlüssel über ganz Deutschland verteilt, einzelnen Orten ist es nicht möglich, unabhängig davon Geflüchtete aufzunehmen. „Vor allem den Kindern, deren Eltern in vielen Fällen nicht mehr leben und die alleine in den Flüchtlingslagern untergebracht sind, soll nun geholfen werden“, betonten die Oberbürgermeister in ihrem Appell. Sie stellten in Aussicht, etwa 500 Kinder aufnehmen zu können. Auch in Augsburg gäbe es etwa 50 zusätzliche Plätze für minderjährige Flüchtlinge. Oberbürgermeister Kurt Gribl betonte, die Stadt werde Flüchtlinge aufnehmen, „soweit ihr diese von den zuständigen Bundes- und Landesbehörden zugewiesen werden“.
Die Mehrheit der Bevölkerung teilt die Bereitschaft der Kommunalpolitiker allerdings nicht. Jeder zweite Deutsche ist dagegen, dass unbegleitete Flüchtlinge nach Deutschland geholt werden. Das hat eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag unserer Redaktion ergeben. Demnach lehnen 50,8 Prozent der Deutschen eine Hilfsaktion ab. 39,3 Prozent befürworten die Hilfe für die Minderjährigen. Der Rest ist in dieser Frage unentschieden.
Auffällig ist eine erhebliche Diskrepanz unter den Anhängern verschiedener Parteien. Wähler der Union lehnen es mit großer Mehrheit (71,2 Prozent) ab, Flüchtlingskinder nach Deutschland zu holen. Noch größer ist die Ablehnung unter Anhängern der FDP (75,3 Prozent) und der AfD (95,6 Prozent). Die größte Zustimmung für eine Hilfsaktion gibt es unter GrünenWählern (68,8 Prozent) und Anhängern der SPD (58,7 Prozent).
Im Kommentar erläutert unser Chefredakteur Gregor Peter Schmitz, warum es richtig ist, Flüchtlingskinder in Ausnahmefällen nach Deutschland zu holen.
Jeder Zweite lehnt eine Hilfsaktion ab