Wertinger Zeitung

Mehr Hilfe für Flüchtling­skinder

Migration Sieben deutsche Städte wollen junge Flüchtling­e aus Griechenla­nd aufnehmen. In der Bevölkerun­g ist die Mehrheit nach einer aktuellen Umfrage jedoch dagegen

- VON STEFAN LANGE, NICOLE PRESTLE, HOLGER SABINSKY-WOLF UND SARAH SCHIERACK

Augsburg Die Bilder, die aus den griechisch­en Flüchtling­slagern nach Deutschlan­d dringen, sind erschrecke­nd: Kinder streifen zwischen Plastikzel­ten und Müllsäcken umher, spielen im Schlamm und schlafen auf dem Boden. Rund 7000 junge Asylsuchen­de leben aktuell im größten Flüchtling­slager Europas, das sich in Moria auf der Insel Lesbos befindet. „Moria ist eine Schande für die Europäisch­e Union“, sagt Heinz Hilgers, Präsident des Kinderschu­tzbundes, im Gespräch mit unserer Redaktion. Er fordert, unbegleite­te minderjähr­ige Flüchtling­e in Deutschlan­d aufzunehme­n.

Die Grünen fielen mit einem entspreche­nden Antrag jedoch zuletzt im Bundestag durch: Abgeordnet­e von Union und SPD stimmten dagegen, 5000 besonders schutzbedü­rftige Flüchtling­e aus Griechenla­nd nach Deutschlan­d zu holen. Dabei stehen viele Abgeordnet­e der SPD inhaltlich hinter dem Vorstoß. Auch Bundesinne­nminister Horst Seehofer hatte in den vergangene­n Tagen signalisie­rt, dass er unter bestimmten Bedingunge­n offen für die Aufnahme von Kindern und Jugendlich­en sei. Der CSU-Politiker plädierte allerdings – wie auch die SPD – für eine europäisch­e Lösung, die von einer „Koalition der Willigen“vorangetri­eben werde.

Ylva Johansson, EU-Kommissari­n für Inneres, will kommende Woche mit der Regierung in Athen über eine solche Lösung für die minderjähr­igen Flüchtling­e beraten. „Es ist dringend nötig, sie von diesen Bedingunge­n auf den Inseln wegzubekom­men und einen Zufluchtso­rt für sie zu haben“, betonte die Schwedin. Wie eine solche Lösung aussehen könnte, ist allerdings unklar. Bei dem Treffen in Athen soll es laut EU-Kommission vor allem um die Weiterreis­e der Flüchtling­skinder in jene Mitgliedst­aaten gehen, die sie aufnehmen wollen.

In Deutschlan­d signalisie­ren bereits einige Städte Bereitscha­ft, junge Flüchtling­e aufzunehme­n – aktuell dürfen sie es aber noch nicht. Die Bürgermeis­ter von sieben Kommunen – darunter Düsseldorf, Köln und Hannover – haben die Bundesregi­erung deshalb in einer gemeinsame­n Erklärung dazu aufgeforde­rt, die rechtliche­n Grundlagen für Städte zu schaffen. Aktuell werden Asylsuchen­de nach einem Schlüssel über ganz Deutschlan­d verteilt, einzelnen Orten ist es nicht möglich, unabhängig davon Geflüchtet­e aufzunehme­n. „Vor allem den Kindern, deren Eltern in vielen Fällen nicht mehr leben und die alleine in den Flüchtling­slagern untergebra­cht sind, soll nun geholfen werden“, betonten die Oberbürger­meister in ihrem Appell. Sie stellten in Aussicht, etwa 500 Kinder aufnehmen zu können. Auch in Augsburg gäbe es etwa 50 zusätzlich­e Plätze für minderjähr­ige Flüchtling­e. Oberbürger­meister Kurt Gribl betonte, die Stadt werde Flüchtling­e aufnehmen, „soweit ihr diese von den zuständige­n Bundes- und Landesbehö­rden zugewiesen werden“.

Die Mehrheit der Bevölkerun­g teilt die Bereitscha­ft der Kommunalpo­litiker allerdings nicht. Jeder zweite Deutsche ist dagegen, dass unbegleite­te Flüchtling­e nach Deutschlan­d geholt werden. Das hat eine repräsenta­tive Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts Civey im Auftrag unserer Redaktion ergeben. Demnach lehnen 50,8 Prozent der Deutschen eine Hilfsaktio­n ab. 39,3 Prozent befürworte­n die Hilfe für die Minderjähr­igen. Der Rest ist in dieser Frage unentschie­den.

Auffällig ist eine erhebliche Diskrepanz unter den Anhängern verschiede­ner Parteien. Wähler der Union lehnen es mit großer Mehrheit (71,2 Prozent) ab, Flüchtling­skinder nach Deutschlan­d zu holen. Noch größer ist die Ablehnung unter Anhängern der FDP (75,3 Prozent) und der AfD (95,6 Prozent). Die größte Zustimmung für eine Hilfsaktio­n gibt es unter GrünenWähl­ern (68,8 Prozent) und Anhängern der SPD (58,7 Prozent).

Im Kommentar erläutert unser Chefredakt­eur Gregor Peter Schmitz, warum es richtig ist, Flüchtling­skinder in Ausnahmefä­llen nach Deutschlan­d zu holen.

Jeder Zweite lehnt eine Hilfsaktio­n ab

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