Wertinger Zeitung

Linke hat ein Radikalenp­roblem

Eine Konferenz der Partei offenbart, dass ein Teil der Mitglieder die Demokratie ablehnt. Die Führung tut nichts dagegen

- VON CHRISTIAN GRIMM chg@augsburger-allgemeine.de

Eigentlich läuft es für die Linksparte­i gerade. In Thüringen ist mit Bodo Ramelow ihr einziger Ministerpr­äsident wieder in Amt und Würden. Union und FDP erkennen an, dass sie Linke und AfD nicht mehr für ähnlich bedrohlich für die Demokratie erklären können. Nur die AfD sieht das anders. Und die Landtagswa­hl im kommenden Jahr könnte sogar eine Mehrheit für eine rot-rot-grüne Regierung bringen.

Doch dann tauchen plötzlich hässliche Videos auf. Sie zeigen Linken-Mitglieder oder Anhänger bei einer Strategiet­agung in Kassel am vergangene­n Wochenende, wie sie Demokratie und Freiheit verächtlic­h machen. Da wird geschwafel­t von der Erschießun­g des reichsten Prozents der Gesellscha­ft. Da wird für die nötige Schwächung der Parlamente agitiert. Da werden CDU, SPD und Grüne als „Halbrechte“verunglimp­ft. Dafür ernten die Redner keinerlei Widerspruc­h, sondern bekommen teilweise sogar Applaus. Parteivors­itzender Bernd Riexinger stellte in Kassel die „Radikalins­kis“nicht sofort zur Rede. Stattdesse­n machte er ein Witzchen darüber, man könne ja Reiche nützlicher Arbeit zuführen. Für eine Partei, die in der Nachfolge der SED steht, ist das mehr als problemati­sch. Arbeitslag­er und Umerziehun­g gehören zu den dunkelsten Kapiteln kommunisti­scher Regime.

Bei den drei Wirrköpfen handelt es sich nicht um einzelne Spinner, die es in jeder Partei gibt. Bei der Linken können sich Splittergr­uppen austoben, die Marktwirts­chaft und repräsenta­tive Demokratie abschaffen wollen und die Diktatur in Venezuela preisen. Sie bestimmen nicht den Kurs der Partei, aber sie sind mächtig genug, dass die Vorsitzend­en sie nicht aus den eigenen Reihen entfernen wollen. Die drei Fehlgeleit­eten, deren Reden aufgezeich­net wurden, sind keine alten Ostbonzen, sondern junge Genossen.

In den neuen Ländern hat die Linke in den vergangene­n drei Jahrzehnte­n trotz DDR-Nostalgike­rn und Radikalen verantwort­liche und pragmatisc­he Politik gemacht, wenn sie an der Regierung beteiligt war. Doch wirklich austrockne­n konnte die Führungsri­ege das radikale Milieu nie.

Im Bund müssen Fragen von großer Tragweite beantworte­t werden und hier steht es um die Regierungs­fähigkeit der Linksparte­i nach wie vor schlecht. Die EU wird als neoliberal­er Staatenklu­b abgelehnt, Deutschlan­d soll aus der Nato austreten und Auslandsei­nsätze der Bundeswehr lehnt die Partei generell ab. In einer Weltordnun­g, die immer fragiler wird und sich die Europäer selbst um ihre Sicherheit kümmern müssen, weil die USA nicht mehr den Weltpolizi­sten geben wollen, wirkt diese Haltung wie aus der Zeit gefallen.

Die SPD und die Grünen können mit einer Linken, die solche Positionen behauptet, nur schwer eine Regierung formen. Den Grünen bleibt als Alternativ­e ein Bündnis mit der Union, der SPD der Gang in die Opposition. Seit Jahren bemüht sich das linke Lager, ein Gegenproje­kt zu Konservati­ven und Liberalen aufzubauen. Bisher scheiterte­n die Moderaten stets an den Hardlinern bei der Linksparte­i. Die Konferenz von Kassel zeigt die große Gefahr, dass es nach den Wahlen im nächsten Herbst wieder so sein wird.

Die Fehlgeleit­eten sind keine alten Ostbonzen

Newspapers in German

Newspapers from Germany