Wertinger Zeitung

Mobbing-Skandal auf der Insel

London Die britische Innenminis­terin Priti Patel soll ihre Mitarbeite­r schlecht behandelt haben. Ein Spitzenbea­mter droht vor Gericht zu ziehen. Die Frage ist, wie lange Premiermin­ister Boris Johnson noch zu ihr hält

- VON KATRIN PRIBYL

London Priti Patel saß in der vordersten Reihe des Unterhause­s, gleich neben Premiermin­ister Boris Johnson, und versuchte sich an einem Lächeln, als Labour-Opposition­schef Jeremy Corbyn von „einem schockiere­nden und inakzeptab­len Verhaltens­muster“sprach. Gemeint war sie, die Innenminis­terin. Patel steht seit Tagen in der Kritik. Nun musste sich der Regierungs­chef äußern. „Ich habe absolutes Vertrauen in Priti Patel“, sagte Johnson im Parlament. Doch wie lange noch?

Die Anschuldig­ungen gegen die Konservati­ve wiegen schwer. So soll die 47-Jährige ihre Angestellt­en gedemütigt, angeschrie­n und verflucht sowie unzumutbar­e Forderunge­n gestellt haben. Nun machte der höchste Beamte des Ministeriu­ms einen „beispiello­sen und außergewöh­nlichen“Schritt, indem Sir Philip Rutnam ankündigte, die Regierung wegen „ungerechtf­ertigter

Entlassung“zu verklagen. Zuvor teilte der Spitzenbea­mte gegen seine Ex-Chefin aus, die eine „gehässige Kampagne“gegen ihn orchestrie­rt habe, verlogen und unbeherrsc­ht sei sowie Mitarbeite­r gemobbt habe. Ihr Verhalten habe Angst und Schrecken verbreitet. Das Problem für Patel: Aus ihrer Zeit als Arbeitsmin­isterin ab 2015 und als Entwicklun­gshilfemin­isterin von Juli 2016 bis November 2017 meldeten sich ebenfalls Ex-Mitarbeite­r zu Wort. Und berichtete­n von ähnlichen Vorfällen. Patel habe Angestellt­e vor anderen schlecht gemacht. Im Arbeitsmin­isterium soll sie eine Frau so schikanier­t haben, dass diese eine Überdosis verschreib­ungspflich­tiger Medikament­e nahm. Patel konnte laut BBC ein Gerichtsve­rfahren verhindern, da sich die ExMitarbei­terin mit einer Zahlung von 25 000 Pfund zufriedeng­ab.

Wie lange kann sich die BrexitHard­linerin, eine glühende Unterstütz­erin von Johnson, noch halten?

Der Premier ließ nun eine Untersuchu­ng einleiten, die ihr Verhalten aufklären soll. Doch für die Regierung kommen die Mobbing-Vorwürfe zur Unzeit. Die Innenminis­terin arbeitet an einem strikten Einwanderu­ngssystem für die Zeit nach der Brexit-Übergangsp­hase.

Es ist nicht allzu lange her, da wurden Patel, die dem rechten Flügel der Tories angehört, noch Chancen auf den Einzug in die Downing Street eingeräumt. Beim Parteitag der Konservati­ven vor gut zwei Jahren

wurde ihre Rede, die reich bestückt war mit dem Wort „ich“, als Bewerbung für den Vorsitz gewertet. Kurz darauf aber musste sie von ihrem damaligen Amt als Entwicklun­gshilfemin­isterin zurücktret­en. Patel hatte während eines Urlaubs in Israel an der Seite eines Lobbyisten zwölf Treffen mit Regierungs­vertretern, darunter mit Israels Ministerpr­äsident Benjamin Netanjahu – ohne dass sie das Außenminis­terium oder Downing Street informiert­e oder Beamte bei den Gesprächen anwesend waren. Weitere Treffen mit israelisch­en Offizielle­n kamen heraus. Zudem verzettelt­e sich Patel in widersprüc­hlichen Angaben über ihre Alleingäng­e. Regelmäßig sorgte sie für Furore, etwa als sie scharfe Einwanderu­ngskontrol­len forderte, gegen die EU schoss oder Drohungen gegen Irland aussprach.

Die verheirate­te Mutter eines Sohnes – sie gilt als Verehrerin der „Eisernen Lady“Margaret Thatcher, von Indiens Ex-Premiermin­isterin

Indira Gandhi sowie der ehemaligen First Lady Michelle Obama – kommt aus einer Familie indischstä­mmiger Ugander, die in den 1960er Jahren vor der Gewaltherr­schaft des Diktators Idi Amin geflohen war. Die Einwandere­r führten erst ein Postamt, bevor sie eine Kette von Zeitungski­osken gründeten. Patel wuchs in Watford in einfachen Verhältnis­sen auf und studierte später Wirtschaft an einer staatliche­n Universitä­t. Seit 2010 sitzt sie als Abgeordnet­e im Parlament, davor arbeitete sie bei einer PR-Firma als Lobbyistin für die Alkohol- und Tabakindus­trie. Die ehrgeizige Frau betonte stets das Arbeitseth­os, das sie durch ihre Eltern vorgelebt bekommen habe. „Aus einem Land zu kommen, in dem man verfolgt wird, heißt, dass man hart arbeiten und zur Gesellscha­ft beitragen will, in der man aufgenomme­n wird.“Doch immer wieder scheint die Hardlineri­n beim Thema Migration ihre eigenen Worte zu vergessen.

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Foto: Simon Dawson, dpa Müssen sich warm anziehen: Premier Boris Johnson und seine Innenminis­terin Priti Patel.

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