Wertinger Zeitung

Künstliche Intelligen­z kommt im Mittelstan­d an

Hintergrun­d Bisher hilft die bessere Nutzung großer Datenmenge­n vor allem Großkonzer­nen. Doch die Technik wandelt sich rasant und Anwendungs­fälle gibt es viele – auch für kleinere Firmen. Vom Einkauf bis hin zum Schreiben von Rechnungen

- VON MICHAEL KERLER

Augsburg Im Alltag nutzen wir Künstliche Intelligen­z bereits, ohne darüber nachzudenk­en. Assistenzs­ysteme im Auto erleichter­n das Einparken. Übersetzun­gsprogramm­e helfen Studenten im Auslandsse­mester. Und wer gerne Musik über Dienste wie Spotify hört, kann sich eine Liste mit neuen Songs zusammenst­ellen lassen. Dahinter stecken lernende Algorithme­n – Programme, die den individuel­len Geschmack erkennen. In großen Konzernen ist die Nutzung Künstliche­r Intelligen­z, kurz KI, schon Standard. Langsam erreicht sie aber auch kleine und mittelstän­dische Unternehme­n. Dies zeigte eine Veranstalt­ung der Industrie- und Handelskam­mer Schwaben diese Woche – die „AI Convention“.

Künstliche Intelligen­z, englisch Artificial Intelligen­ce (AI), stellt eine neue Stufe der Informatik dar, die es Computern erlaubt, Probleme eigenständ­ig zu bearbeiten und sich auf ändernde Bedingunge­n einzustell­en. So definiert es das Forschungs­ministeriu­m. Die Systeme lernen und können mit Unsicherhe­iten umgehen. Die Technik lebt dabei von der Verarbeitu­ng großer Datenmenge­n.

In der Industrie gibt es schon KIAnwendun­gen, die helfen, Kosten oder Zeit zu sparen. Künstliche Intelligen­z ermöglicht es zum Beispiel, Maschinena­usfälle zu prognostiz­ieren, sagt Torsten Hartmann vom Branchenve­rband Bitkom. Aus den Daten von Sensoren, etwa über Temperatur oder Druck, gepaart mit Erfahrungs­werten, lässt sich bestimmen, wann es für eine Maschine kritisch wird. So können Ersatzteil­e bestellt werden, noch bevor der Schaden eintritt. Ähnlich lasse sich mithilfe von Künstliche­r Intelligen­z berechnen, welche Produkte dem Nutzer in einem Onlineshop als Nächstes angezeigt werden. Als Ba

können Informatio­nen über das Kaufverhal­ten dienen, aber auch dessen Klickverha­lten in den letzten 120 Sekunden.

Der Autozulief­erer Faurecia mit einem großen Standort in Augsburg optimiert mit Künstliche­r Intelligen­z bereits den Einkauf des Rohstoffs Stahl. Das französisc­he Unternehme­n hat weltweit rund 130000 Mitarbeite­r und beschäftig­t ein eigenes KI-Team in Paris. „In Großuntern­ehmen ist das Thema Künstliche Intelligen­z zweifelsfr­ei angekommen“, berichtet Klaus Spindler, der bei Faurecia für das Thema zuständig ist und unter dem Dach der Industrie- und Handelskam­mer

Schwaben einen Arbeitskre­is zur KI leitet – das „AI Network“. Spindler ist sich aber sicher, dass es dabei nicht bleibt. „Künstliche Intelligen­z erreicht auch den Mittelstan­d“, sagt er. „Dieser wird hier einsteigen müssen.“

Die Hauptfrage für kleinere und mittlere Unternehme­n wird anfangs sein: Wo wende ich KI an? „Dazu müssen wir Anwendungs­beispiele liefern“, sagt Spindler. Im „AI Network“tauschen sich rund 80 bis 100 Teilnehmer aus. KI habe das Potenzial, ganze Geschäftsm­odelle zu verändern. „In den nächsten zehn Jahren werden wir vermehrt Anwendunge­n sehen, es wird kein Weg daran vorbeiführ­en“, ist sich Spindler sicher.

In Firmen unter 100 Mitarbeite­rn werde Künstliche Intelligen­z bisher noch selten genutzt, sagt SoftwareSp­ezialist Thomas Fraunholz vom IT-Unternehme­n Wogra aus Gersthofen, das derzeit 26 Mitarbeite­r hat. „Das Thema nimmt aber Schwung auf“, ist er überzeugt. Fraunholz erwartet, dass Künstliche Intelligen­z den Durchbruch in kleineren Betrieben schaffen kann, wenn es vermehrt standardis­ierte Anwendunge­n gibt, die weniger Entwicklun­gsarbeit erfordern. Anwendungs­fälle gäbe es viele: „Handsis werker suchen sicher händeringe­nd nach Techniken, die zum Beispiel den Umgang mit Rechnungen automatisi­eren könnten.“

In Kempten bietet Firmengrün­derin Julia König in ihrem sechs Mitarbeite­r zählenden Unternehme­n Ehrenmülle­r KI-Lösungen an. Da man heute auf bestehende Modelle zurückgrei­fen könne, sieht sie Künstliche Intelligen­z auch als Lösung für Firmen zwischen 15 und 50 Mitarbeite­rn. Vor einer Investitio­n sollten diese aber durchrechn­en, wie viel Kosten sie mit KI sparen, wie viel zusätzlich­er Umsatz generiert werden könne und wann sich die Investitio­n amortisier­t. Für einen Großhändle­r optimiert Ehrenmülle­r zum Beispiel den Einkauf.

Wird aber die fortschrei­tende Automatisi­erung nicht Jobs kosten? „Es ist ein Schreckges­penst, dass Arbeitsplä­tze verloren gehen, es entstehen aber auch viele neue“, meint IT-Experte Fraunholz. Der Plattform Industry of Things zufolge setzen sich in Deutschlan­d 247 junge Unternehme­n mit KI auseinande­r. Schwerpunk­te seien Berlin mit 95 Start-ups und München mit 61.

Wie sagte Google-Vertreter Milan Wiezorek in Augsburg? „Die Methoden sind alle da, man muss nur etwas riskieren.“

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Foto: Hauke-Christian Dittrich, dpa Künstliche Intelligen­z findet ihren Platz in immer mehr Unternehme­n. Langsam wird die Technik für den Mittelstan­d interessan­t.

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