Wertinger Zeitung

Fertig zum Abheben?

Mobilität Ingolstadt hat sich mit Flugtaxis internatio­nal einen Namen gemacht. Vor einem Jahr wurde dort mit großem Tamtam der City Airbus der Öffentlich­keit vorgestell­t. Seither ist viel passiert. Eine Zwischenbi­lanz

- VON STEFAN KÜPPER

Augsburg/Ingolstadt Wie geht es in Ingolstadt eigentlich in Sachen Flugtaxis weiter? Es ist nun so ziemlich ein Jahr her, dass auf dem Rathauspla­tz mit viel Tamtam und ordentlich Schaulusti­gen der City Airbus der Weltöffent­lichkeit vorgestell­t wurde. Das Problem an der Sache war: Das 2,2 Tonnen schwere Flugobjekt hob nicht ab. Das war zwar nie angekündig­t und vorgesehen gewesen, weil die HightechGe­rätschaft dafür auf das Testgeländ­e am nahen Manchinger Flugplatz gebracht werden soll. Aber auch dort hat es die ursprüngli­ch für vergangene­s Jahr angekündig­ten Testflüge bislang nicht gegeben. Airbus Helicopter­s hat das in Donauwörth entwickelt­e Flugtaxi dort auf dem Werksgelän­de zwar drei Mal abheben lassen, aber umfassende Luftproben in Manching hat es bislang nicht gegeben.

Was allerdings nicht heißt, dass seither sonst nichts passiert ist. Im Gegenteil: Seit Ingolstadt mit der Weltpremie­re des City Airbus internatio­nal Schlagzeil­en machte, ist eigentlich kaum ein Monat vergangen, an dem die Beteiligte­n des Ingolstädt­er Parts der europaweit­en Urban Air Mobility (UAM) Initiative nicht Neuigkeite­n zu vermelden hatten.

Was steckt in der Region hinter UAM? Die von der Bundes- und Staatsregi­erung sowie der Europäisch­en Kommission unterstütz­te Initiative will „in praktische­n Studien den Einsatz von Fluggeräte­n für die urbane Mobilität erforschen“. Im Juni 2018 war im Bundeskanz­leramt eine entspreche­nde Absichtser­klärung unterzeich­net worden. In Modellvers­uchen geht es darum, in der Region Ingolstadt zu testen, wo man die Flugtaxis oder Transportd­rohnen am besten einsetzen kann. Es geht um die Mobilität der Zukunft, die in der dritten Dimension.

Inzwischen sind laut Stadt knapp 70 Netzwerkpa­rtner an der Initiative beteiligt. Die Landkreise Neuburg-Schrobenha­usen, Eichstätt und Pfaffenhof­en gehören dazu, Hochschule­n und Institutio­nen wie das Deutsche Zentrum für Luftund Raumfahrt oder die Europäisch­e Flugsicher­ung. Mit dabei sind auch Unternehme­n wie Audi, Airbus, die Deutsche Bahn und die Media Saturn Holding.

Es gibt in Ingolstadt verschiede­nste Ideen, wie man sich Drohnen zunutze machen kann. Ein Beispiel: Beim „FreeRail“-Projekt, wird mit dem Drohnenher­steller Quantum Systems daran geforscht, wie Streckenne­tze der Bahn effiziente­r inspiziert werden können. Zuletzt war das Projekt „INCity-TakeOff“vorgestell­t worden. Ingolstadt bekommt 1,7 Millionen Euro vom Bund, um Start- und Landeplätz­e für Flugtaxis zu planen. Einer dieser Vertiports könnte am Hauptbahnh­of entstehen. Und demnächst steht nach Informatio­nen unserer Zeitung das Projekt „MEDinTime“auf der Agenda. Ziel ist, regionale Kliniken aus einer zentralen Apotheke mit Drohnen zu versorgen. Die sollen nicht nur Kuriertran­sporte zwischen Kliniken durchführe­n, sondern zum Beispiel einen Notarzt aus der Luft beim Einsatz beliefern können.

Inklusive dieses Projekts hat man in Ingolstadt bisher rund 13 Millionen Euro an Fördergeld­ern für UAM eingesamme­lt.

Das ist nicht wenig, könnte aber mehr sein. Dass das die Beteiligte­n genauso sehen, war Mitte November vergangene­n Jahres deutlich geworden, als die IG Metall, Ingolstadt­s Oberbürger­meister Christian Lösel (CSU) und die Gesamtbetr­iebsratsvo­rsitzenden von Audi so

Airbus Defence & Space sich mit einem Brief an die Bundeskanz­lerin mit der Bitte um Unterstütz­ung für die Region gewandt hatten. Ein mindestens ungewöhnli­cher Vorgang.

Damit die Wirtschaft­sregion gesund bleibe, benötige der Raum Ingolstadt in einer globalisie­rten Welt „mehr denn je die Unterstütz­ung auf nationaler Ebene“, hatte es geheißen. Es ging dabei um die Transforma­tion der Automobilb­ranche, von der der Audi-Standort Ingolstadt besonders betroffen ist, es ging um eine nationale Technologi­estrategie, um das europäisch­e Kampfflugz­eug der nächsten Generation FCAS und es ging um UAM. In dem Brief stand, dass „nationale Anstrengun­gen“notwendig seien, um diese Technologi­e in Deutschlan­d „zu halten“. Hintergrun­d ist die Konkurrenz aus Frankreich, wo sehr viel Geld in die Förderung von UAM investiert wird. Die Befürchtun­g: langfristi­g die Technologi­e dorthin zu verlieren. Denn in Toulouse, wo Airbus sein Frankreich­Werk hat, fördern Staat und Wirtschaft in den nächsten zehn Jahren einen Technologi­e-Park und mehrere Testfelder mit 113 Millionen Euro. Dagegen wirken die 13 Millionen aus Ingolstadt natürlich etwas schmal. In dem Brief hatte man betont, es sei in Sachen UAM von großer Bedeutung, „die bestehende Innovation­sführersch­aft bei Airbus in Manching und der Wehrtechni­schen Dienststel­le (WTD 61) auszubauen“. Das Ziel: ein europäisch­es Zentrum zur UAM in Ingolstadt und Manching.

Eine Reaktion aus dem Kanzleramt hat es weder beim Ingolstädt­er Oberbürger­meister noch beim Ingolstädt­er Bundestags­abgeordnet­e Reinhard Brandl (CSU) gegeben. Fragt man diesen, was das Schreiben in Berlin bewirkt habe, sagt er: „Das Bewusstsei­n in der Bundesregi­erung, dass wir Zukunftspr­ojekte im Luftfahrtb­ereich wie das elektrisch­e Fliegen weiter fördern müssen, ist deutlich gestiegen.“Das hänge allerdings nicht nur mit dem Ingolstädt­er Bittbrief, sondern auch mit der gesamten Klimadebat­te zusammen. Konkret seien im Bundeshaus­halt 2020 die Ansätze für die Förderung innovative­r Forschung im Bereich unbemannte­r Luftfahrt und Drohnen um 8 auf insgesamt 11,8 Millionen Euro erhöht worden. Diese zusätzlich­en Mittel seien allerdings noch nicht vergeben. Konkrete Folge der Ingolstädt­er Post nach Berlin sei zudem, dass Ingolstadt als UAM-Standort auf der Inwie ternationa­len Luft- und Raumfahrta­usstellung (ILA) in Berlin vertreten sei. Das fördere das Bundesverk­ehrsminist­erium. Mit dabei sind die anderen deutschen UAM-Städte, sprich Hamburg, Aachen und Münster sowie die Region Nordhessen.

Von dem Messe-Auftritt verspricht man sich in Ingolstadt neuen Schub. Genauso wie vom für die nächsten Monate geplanten Start von brigkAIR, einem Außenstand­ort des Digitalen Gründerzen­trums Ingolstadt brigk.

Was macht das brigkAIR, das am Rande des Geländes der wehrtechni­schen Dienststel­le in Manching seinen Sitz haben wird? Es soll die Digitalisi­erung der Luftfahrti­ndustrie vorantreib­en und eine, so hofft man, wachsende Zahl von Start-ups im Markt der so genannten „Unmanned Aerial Vehicles“fördern. Ende März will man sich in Berlin der Öffentlich­keit präsentier­en.

Und im Laufe des Jahres soll dann auch der City Airbus endlich in Manching abheben. Bis dahin ist viel zu tun. Denn 2024, bei den Olympische­n Spielen in Paris, soll er erstmals autonom zwischen dem Flughafen Charles de Gaulle und den Wettkampfs­tätten fliegen. Das wird sportlich.

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Foto: Armin Weigel, dpa So sieht der Demonstrat­or des City Airbus aus. Bald soll es in Manching erste Testflüge geben.

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