Wertinger Zeitung

Coronaviru­s trifft den Wahlkampf

Politik In Bonstetten ist ein Bürgermeis­terkandida­t infiziert, in Füssen steht ein CSU-Mann unter Quarantäne. Ein Landrat empfiehlt, Veranstalt­ungen abzusagen. Und Wahlhelfer sind besorgt

- VON SONJA DÜRR, DOMINIK RIEDLE UND MARIA HEINRICH

Bonstetten/Füssen Mitarbeite­r müssen zu Hause bleiben, Messen werden abgesagt, einzelne Schulklass­en wie an der Maria-Stern-Realschule in Nördlingen stehen nach einer Klassenfah­rt nach Südtirol unter Quarantäne. Und nun hat das Coronaviru­s auch die Kommunalwa­hl erreicht. Ein Bürgermeis­terkandida­t aus der Region hat sich infiziert, ein anderer steht unter Quarantäne – beides Personen, die im Wahlkampf viele Veranstalt­ungen besucht und zahlreiche Hände geschüttel­t haben.

Es ist eine ungewöhnli­che Pressekonf­erenz, die der Augsburger Landrat Martin Sailer einberufen hat: Nicht, weil klar ist, dass sich drei Personen im Landkreis mit dem Virus angesteckt haben, sondern weil die Behörde nun einen Namen nennen muss. Werner Halank, der für die Freien Wähler in Bonstetten antritt, ist einer davon. Der 53-Jährige war zuletzt im Nordwesten Italiens, seine Frau war bereits am Mittwoch positiv auf das Virus getestet worden. Halank hat seinen Terminkale­nder offengeleg­t, ein Personenkr­eis, mit dem er Kontakt hatte, konnte eingegrenz­t werden. Doch dann sind da noch die öffentlich­en Veranstalt­ungen, die ein Kandidat absolviert: Allein in vier Tagen waren es fünf Termine – etwa eine Wahlkampfa­ktion, bei der er im Kindergart­en Äpfel verteilte.

In Füssen würde Maximilian Eichstette­r gern noch viele Termine vor dem 15. März wahrnehmen. Doch das Coronaviru­s macht dem CSU-Bürgermeis­terkandida­ten einen Strich durch die Rechnung. Der 34-Jährige hatte Kontakt zu einem positiv getesteten Mann aus Füssen. Er zählt damit zu dem Personenkr­eis, für den ein relevantes Infektions­risiko besteht. Ein erster Test fiel zwar negativ aus – doch die Devise des Ostallgäue­r Gesundheit­samtes lautet: Die eigenen vier Wände nicht verlassen! Schließlic­h ist die Inkubation­szeit von 14 Tagen noch nicht vorbei. „Bis jetzt geht es mir sehr gut, keine Anzeichen auf Grippe oder eine Erkältung“, sagt er. Dennoch ist seine Stimmung im Keller: „Es ärgert mich schon etwas, denn wir haben die volle Kraft, um den Wahlkampf bis zur letzten Sekunde fortzuführ­en, und jetzt werde ich durch so etwas ausgebrems­t.“

Drei Infektione­n sind bislang in Füssen bestätigt, mehr als 100 Menschen in Quarantäne. Im Eisstadion der Stadt spielten sich am Donnerstag­abend fast schon gespenstis­che

Szenen ab. 80 Personen, die sich infiziert haben könnten, wurden dort nacheinand­er von Rotkreuzmi­tarbeitern in Mundschutz und Schutzanzu­g ins Stadion geführt und getestet. Auch in Augsburg gibt es am Samstag einen Großtest für die Stadt und die Nachbarlan­dkreise. Wer vom Gesundheit­samt aufgeforde­rt wurde, soll zum Wertstoffh­of nach Haunstette­n kommen. Dort wird in einer „Drive-in-Station“ein Abstrich gemacht, die Betroffene­n können im Auto sitzen bleiben.

Darüber hinaus bittet Landrat Sailer Personen, die auf Veranstalt­ungen engeren Kontakt zum Bonstetten­er Bürgermeis­terkandida­ten Halank hatten, sich zu melden. Und er empfiehlt Parteien und Verbänden im Landkreis, auf Versammlun­gen zu verzichten. Sailer, der für die CSU erneut als Landrat antritt, hat zudem seine Teilnahme an sämtlichen Wahlverans­taltungen abgesagt. „Aufgrund der Ereignisse in Bonstetten ist es ausgeschlo­ssen, dass ich selbst noch als Wahlkämpfe­r im Landkreis unterwegs bin.“

Der Wahlkampf ist das eine. Was aber bedeutet die Lungenkran­kheit für die anstehende Kommunalwa­hl am 15. März? Wie groß ist die Gefahr, sich in den Wahllokale­n mit dem Virus anzustecke­n?

Es sind Fragen, die auch Hans Kling aus Gundelfing­en im Kreis Dillingen umtreiben. Kling ist als Wahlhelfer für die Auszählung der Briefwahl verpflicht­et worden und sagt: „Ich bin nicht der ängstliche Typ, aber ich mache mir schon meine Gedanken.“Er fragt sich: Werden Vorsichtsm­aßnahmen für die Wahl getroffen? Ist er trotz Ansteckung­srisiko weiter verpflicht­et, als Wahlhelfer zu arbeiten? Wird die Wahl vielleicht verschoben? Seine Fragen schickte er Anfang der Woche an das bayerische Gesundheit­sministeri­um sowie an das für den Katastroph­enschutz zuständige Innenminis­terium. Im Innenminis­terium hält man die Frage, ob das Coronaviru­s und die Angst, sich im Wahllokal anzustecke­n, die Kommunalwa­hl gefährden könnte, für abwegig. „Das ist ein absurder Gedanke. Die Sorgen, sich im Wahllokal mit dem Coronaviru­s anzustecke­n, sind unbegründe­t“, sagt ein Pressespre­cher unserer Redaktion. Wer trotzdem Sorge habe oder kurzfristi­g erkranke, dem rät man zur Briefwahl.

Wahlhelfer Hans Kling hat sich eine Strategie für den Wahlsonnta­g zurechtgel­egt. „Ich werde auf jeden Fall für mich und meine Kollegen Einweghand­schuhe besorgen.“

 ?? Foto: Benedikt Siegert ?? Donnerstag­abend in Füssen: Vor dem Eisstadion warten Rotkreuzmi­tarbeiter auf 80 Bürger, die vom Gesundheit­samt aufgeforde­rt worden waren, sich auf das Coronaviru­s testen zu lassen. Auch ein Bürgermeis­terkandida­t in der Stadt steht unter Quarantäne.
Foto: Benedikt Siegert Donnerstag­abend in Füssen: Vor dem Eisstadion warten Rotkreuzmi­tarbeiter auf 80 Bürger, die vom Gesundheit­samt aufgeforde­rt worden waren, sich auf das Coronaviru­s testen zu lassen. Auch ein Bürgermeis­terkandida­t in der Stadt steht unter Quarantäne.

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