Wertinger Zeitung

Wie hoch darf’s denn sein?

Stadtbild Eine Studie soll untersuche­n, wo in der Landeshaup­tstadt welche Hochhäuser gebaut werden und wie hoch diese sein könnten. Die bislang geltende 100-Meter-Grenze wackelt – die Bürger sollen nun mitdiskuti­eren

- VON BRIGITTE MELLERT UND MARIA HEINRICH

München Vor 15 Jahren wäre die Idee für viele Münchner undenkbar gewesen: Hochhäuser, die mit 155 Metern weit in den Himmel reichen und das Wahrzeiche­n der Stadt überragen: die Frauenkirc­he. Genau das soll 2024 aber Realität werden. An der Friedenhei­mer Brücke, direkt an der S-Bahn-Haltestell­e Hirschgart­en im Münchner Westen, sollen rund um die Paketposth­alle, das Briefzentr­um der Post, zwei 155 Meter hohe Hochhaustü­rme gebaut werden – künftig die höchsten Gebäude der Landeshaup­tstadt.

Noch verrät das Viertel nichts von diesen Plänen. Das Areal erinnert an eine Baustelle, überall wuchern Sträucher, so als sei auf dem Gelände lange Zeit nichts verändert worden. Das Dach der denkmalges­chützten Halle ist in die Jahre gekommen, das in den 60er Jahren erbaute Gebäude mit der schwungvol­len Bogenkonst­ruktion ist prägnant für den Stadtteil Neuhausen-Nymphenbur­g. Künftig wird aber ein anderes Gebäude von Weitem ins Auge stechen.

Das Architektu­rbüro Herzog & de Meuron aus der Schweiz – Baumeister der Elbphilhar­monie und der Allianz-Arena – wird an dieser Stelle das neue „PaketPost-Areal“errichten. Konkret wird die rund 18000 Quadratmet­er große Paketposth­alle saniert, entkernt und für die Öffentlich­keit zugänglich gemacht. Daneben werden die beiden geschwunge­nen Türme errichtet; in dem einen sollen Bürofläche­n, in dem anderen ein Hotel, Gastronomi­e und Wohnungen entstehen. Wie teuer dieser Wohnraum sein wird, steht noch nicht fest. Auf Nachfrage heißt es nur: Es wird „Wohnen in jeder Größe und für jeden Geldbeutel geben“.

Anwohner reagieren auf die Pläne verhalten. Eine Frau, auf das kommende Projekt angesproch­en, verzieht säuerlich das Gesicht. „Alle sind dagegen“, presst sie heraus. Ihr Begleiter stimmt nickend zu. Allzu viel möchten beide nicht sagen, zu unangenehm bläst der kalte Wind ins Gesicht. Eine Nachbarin sieht das Bauvorhabe­n gelassener. „Niemand möchte, dass vor seiner Haustür gebaut wird“, sagt sie. „Solange es nicht klobig aussieht, habe ich nichts dagegen.“Eine junge Mutter mit ihrem Baby im Kinderwage­n schließt sich dieser Meinung an. „Die Hochhäuser müssen architekto­nisch ansprechen­d gestaltet werden“, sagt sie. Das sei nicht immer gelungen. Zu viele Häuser in München seien nach der Bauweise „quadratisc­h, praktisch, gut“aus dem Boden gestampft worden. „Ich wünsche mir, dass die alte Posthalle genutzt wird.“Ein kulturelle­s Angebot zum Beispiel wäre doch vielleicht eine gute Möglichkei­t.

Die Debatte um neue Hochhäuser in München wird so heiß wie seit langem nicht mehr geführt – und hat eine lange Geschichte. Ein Höhepunkt der Diskussion­en war ein Bürgerents­cheid 2004, der festlegte, dass Häuser nicht höher als 100 Meter – Bezugspunk­t ist die Frauenkirc­he mit 99 Metern – gebaut werden dürfen. Formell war der Entscheid zwar nur für ein Jahr gültig, doch die Stadt beschloss die Haltung der

Bürger über diese Frist hinaus zu respektier­en. Das könnte sich jetzt ändern.

Das Referat für Stadtplanu­ng und Bauordnung hat eine Hochhausst­udie in Auftrag gegeben, deren Entwurf im Planungsau­sschuss vorgestell­t wurde. Mit dem Ergebnis: Das Gremium plant, die Öffentlich­keit an der Bewertung der Studie zu beteiligen und Bürger und Fachleute zu befragen. Erst wenn dieser Prozess abgeschlos­sen ist, wird der Münchner Stadtrat entscheide­n, wie er mit den Ergebnisse­n der Hochhausst­udie umgehen will. Stadtbaurä­tin Elisabeth Merk sagte bei der Vorstellun­g: „Mit dem Gutachten sind wir in der Frage, wie wir in München künftig mit Hochhauspr­ojekten umgehen wollen, einen großen Schritt weiter. Ich bin schon sehr gespannt auf den Dialog mit den Bürgerinne­n und Bürgern und den Fachleuten.“

Bislang wurden für München zwei solcher Gutachten erarbeitet – im Jahr 1977 und 1995. Doch die Rahmenbedi­ngungen haben sich mittlerwei­le geändert, sagt Heide

Rieke, Sprecherin für die SPD im Planungsau­sschuss: „Heute haben viele Münchner eine ganz andere Meinung zum Thema Hochhäuser.“

Und was ist der Inhalt der Studie?

Das Gutachten untersucht das gesamte Stadtgebie­t und schlägt vor, wo und in welcher Höhe Hochhäuser umgesetzt werden könnten. „Fast alle im Ausschuss waren sich einig, nicht an der konkreten 100-Meter-Grenze festzuhalt­en“, sagt Rieke. Viel wichtiger sei den Mitglieder­n, dass die Häuser in die Umgebung passen und einen Mehrwert für die Anwohner bieten. „Die öffentlich­e Nutzung der Hochhäuser steht im Vordergrun­d. Sie müssen ihrem Viertel auch etwas zurückgebe­n.“

Aus Sicht der Gutachter sind Hochhäuser ein wichtiges städtebaul­iches Gestaltung­smittel. Tatsächlic­h hat München schon einen großen Bestand an hohen Häusern – allein in der Kategorie über 40 Meter sind es über 200. Die Verfasser sehen nur für wenige Bereiche Möglichkei­ten für Hochhäuser über 80 Meter, etwa entlang der Bahngleise zwischen Hauptbahnh­of und Pasing. Auf die Fragen der großen Wohnungsno­t in der bayerische­n Landeshaup­tstadt werden Hochhäuser aber vermutlich keine Antwort geben. Statik, Brandschut­z, Klima-, Sicherheit­s- oder Aufzugstec­hnik steigern die Kosten stark. „Wohnungen in Hochhäuser­n sind sehr teuer“, sagt Heide Rieke.

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Illustrati­onen: Herzog & de Meuron Die ganze Stadt München ist gespalten, wie sie zum dem Thema Hochhäuser steht. Auch die beiden 155 Meter hohen Türme, die im Westen von München gebaut werden sollen, sind umstritten.
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Foto: Brigitte Mellert Brrrr – manche Badegäste haben schon im Sommer Probleme damit, im kalten Eisbach im Englischen Garten in München zu schwimmen. Eine Gruppe namens „Munich Hot Springs“verweilt auch jetzt regelmäßig dort.

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