Wertinger Zeitung

Eiskaltes Abhärtungs­bad

Freizeit Selbst im Sommer ist der Eisbach in München vielen zu kalt. Warum eine Gruppe Hartgesott­ener sogar im Winter ins Wasser steigt

- VON BRIGITTE MELLERT

München Mütze und Badesachen – mehr brauchen Franz Mayr und vier weitere Münchner an diesem frühen Morgen nicht. Auch bei frostigen Temperatur­en geht die Gruppe, die sich „Munich Hot Springs“nennt, im Eisbach im Englischen Garten baden. Wie der Name verrät, bewegt sich die Temperatur des Bachs, dessen Wasser von der Isar kommt, im niedrigen einstellig­en Bereich. Schon im Sommer kostet es vielen Badegästen Überwindun­g, ins Wasser zu steigen. Die Mitglieder der „Munich Hot Springs“, die zum Teil aus der Fitnessbra­nche stammen, erwarten sich aber mehr als nur einen Kälte-Kick.

Franz Mayr, trainierte­r Körper, buschiger Bart, kurz rasiertes Haar, hat gemeinsam mit drei Freunden vor dreieinhal­b Jahren die Gruppe gegründet. „Wir hatten damals von der Wim-Hof-Methode gehört“, sagt Mayr, der in Augsburg aufgewachs­en ist. So entstand die Idee des Eisbadens. Wim Hof ist niederländ­ischer Extremspor­tler, der eine Methode entwickelt hat, die durch Kältetrain­ing und eine spezielle Atemtechni­k das Immunsyste­m stärken soll. Auf diesem Ansatz aufbauend, tasteten sich Mayr und die restlichen Mitglieder langsam vor. „Angefangen haben wir mit kalten Duschen, nur wenige Sekunden lang.“Zwei Monate trainierte­n sie, bis sie zehn Minuten im eiskalten Wasser verbringen konnten.

An diesem Morgen ist es eigentlich zu warm für die Gruppe, zehn Grad zeigt das Thermomete­r. Trotzdem haben sie sich im Englischen Garten versammelt und schälen sich langsam aus ihrer dicken Kleidung. Sofort ins Wasser gleiten sie aber nicht. Zunächst verbringen sie einige Momente in Ruhe, um die Atmung zu regulieren. Damit trainieren sie ihren Körper, auch im Schockmome­nt des eiskalten Wassers weiterhin ruhig und tief zu atmen. Dann geht es los: Schwungvol­l gleiten sie ins Wasser, die Hände oberhalb der Oberfläche am Körper angewinkel­t, um sie vor der Kälte zu schützen. Zehn Minuten verweilt die Gruppe darin, lacht und unterhält sich angeregt.

„Eigentlich kann jeder bei uns mitmachen“, sagt Mayr, nachdem er sich mit rotem Oberkörper aus dem Bach geschoben hat. Aber: „Jeder ist für sich verantwort­lich.

Trotzdem raten wir Anfängern, sich darauf vorzuberei­ten.“Mit der Zeit stelle sich der Körper „schneller auf die Kälte ein und lernt, sich selber zu erwärmen“, erklärt Mayr, während er wenige Minuten nach dem Eisbad noch am ganzen Körper zittert. Im Unterschie­d zum Saunagang verzichten die „Munich Hot Springs“nach dem Kälteschoc­k auf wärmende Decken oder Vergleichb­ares. Abtrocknen und zurück in die dicke Winterklei­dung. Mehr Energie und ein verbessert­es Immunsyste­m erhoffen sich die Mitglieder dadurch.

45 Minuten nach dem Eisbad setze der erhoffte Wärmeeffek­t ein, berichtet Mayr. „Direkt nach dem Baden erhitzt sich der Körper, danach kommt die Kälte aber wieder aus der Tiefe.“Das richtige Wärmegefüh­l entstehe erst später – dann, wenn die meisten schon wieder im warmen Büro arbeiten.

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