Sozialstudie statt Krimi
So ist die neue „Tatort“-Folge Leonessa
ARD, 20.15 Uhr Wenn nur alles so eindrucksvoll wäre wie das in Zeitlupe gefilmte Finale, als Banknoten vom Himmel fallen und einen spöttisch wirkenden Farbfleck abgeben. Der Ludwigshafener „Tatort“mit dem Titel „Leonessa“leidet unter seiner Verspätung.
Ursprünglich als 70. Jubiläumsfall der Kommissarin Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) für 2019 geplant, wurde ein Krimi mit Ben Becker in einer der Hauptrollen vorgezogen. Was der Story von „Leonessa“nicht gut getan hat. Denn perspektivlose Problem-Kids am Rande der Gesellschaft sind ja schon länger ein über die Maßen strapaziertes Sujet.
Leon und Vanessa, deren Doppelname warum auch immer an das Hollywood-Paar „Brangelina“erinnert, finanzieren ihre teuren Klamotten und Handys durch sexuelle Dienstleistungen in den Autos älterer Männer. Als ein Kneipenwirt erschossen wird, müssen Odenthal und die diesmal farblose Kollegin Johanna Stern (Lisa Bitter) herausfinden, ob die Teenager etwas mit dem Mord zu tun haben. Das Opfer, der Wirt Hans Schilling – „Sheriff“genannt – hat sich gerne eingemischt, auch in die Prostitutionsgeschichten der Jugendlichen. Der in Vanessa verliebte Samir Tahan, der von der Coolness von „Leonessa“fasziniert ist, gerät genau wie das Paar unter Verdacht.
Leider reiht das Drehbuch ein Klischee sozialen Elends ans andere. Leons Mutter, eine abgestürzte Literaturwissenschaftlerin, säuft, und die arbeitslosen Eltern von Vanessa (eindrucksvoll: Lena Urzendowsky) ignorieren, was ihre Kinder so treiben. Wobei man sich fragt, warum gleich beide Mütter trinken. So muss Odenthal beim drogensüchtigen Leon banal die Mutti spielen: „Du musst damit aufhören, du machst deine Seele kaputt.“Im tristen Schluss dieser Sozialstudie, die kein echter Krimi sein kann, ist Lenas Blick wie versteinert. Macht sie sich Vorwürfe? Eines ist jedenfalls klar: Ihr Ex-Kollege Kopper fehlt uns noch immer. Rupert Huber