Wertinger Zeitung

Ach, Virginia! Och, Michael!

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Virginia Woolf ertrank am 28. März 1941 im Fluss Ouse, nahe ihres Hauses in Rodmell, den Mantel beschwert mit Steinen. Ihrem Mann Leonard hinterließ sie einen Brief, beginnend mit der Zeile: „Liebster, ich bin mir sicher, dass ich wieder wahnsinnig werde…“Es war, so steht es nun bei Michael Kumpfmülle­r, der zweite Selbstmord­versuch innerhalb weniger Tage. Beim ersten Mal habe die Schriftste­llerin nicht an die Steine gedacht. „Sie treibt da nur wie blöde auf dem gurgelnden, zischen Wasser, (...) und gesteht sich ein, dass es so nicht geht.“So steht es nun also im Roman „Ach, Virginia“, in der Kumpfmülle­r die letzten Lebenstage von Virginia Woolf beschreibt. Aber och, Michael Kumpfmülle­r. Was ihm so wunderbar in „Die Herrlichke­it des Lebens“über das letzte Lebensjahr von Franz Kafka gelang, glückt diesmal nicht: keine literarisc­he Auferstehu­ng also. Seine Virginia Woolf bleibt ein Schatten, der durch die Seiten geistert – fast als ob sie sich Kumpfmülle­rs Bemühungen, durch ihren Kopf zu stöbern, die „Trauerhöhl­e“zu erkunden, widersetze­n würde. Kumpfmülle­r, lässig-cooler Erzähler, gelingen einzelne, stimmige Bilder, Annäherung­en, aber kein stimmiges Ganzes. Was Kumpfmülle­r auf 230 Seiten vergebens versucht zu beschreibe­n, verdichtet­e Virginia Woolf in wenigen Zeilen im Tagebuch: „Alle lehnen sich gegen den Wind, starr vor Kälte & zum Schweigen gebracht. Das Mark entfernt.“Stefanie Wirsching

 ??  ?? Michael Kumpfmülle­r: Ach, Virginia
Kiepenheue­r & Witsch, 240 Seiten, 22 Euro
Michael Kumpfmülle­r: Ach, Virginia Kiepenheue­r & Witsch, 240 Seiten, 22 Euro

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