Wertinger Zeitung

Mal anders: Cihan Acars lässiges Debüt

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Es gibt Bücher, die sind eine einzige Überraschu­ng. Andere Pfade, andere Protagonis­ten, anderer Ton. Wobei: Heilbronn, da war man ja mal, aber doch noch nie in Hawaii. Jenem Stadtviert­el, das titelgeben­d ist für das Debüt von Cihan Acar. Über das er schreibt: „Wenn man sich ein bisschen auskennt, weiß man, wem man lieber aus dem Weg gehen sollte. Und wer sich nicht auskennt, kommt gar nicht erst her.“Kemal war schon mal weg aus diesem Viertel, in dem vor allem Migranten wohnen, nun ist er wieder da: die Profikarri­ere in der Türkei beendet durch einen selbst verschulde­ten Autounfall, der Ruhm flattert wie ein zerfaserte­s Band hinter ihm her: „Sag mal, bisch du net der Fußballer.“Vier Tage, drei Nächte lässt Acar, Jahrgang 1986, seinen Ich-Erzähler durch die Stadt laufen, drückende Hitze liegt über Heilbronn, Hundstage, es braut sich etwas zusammen: Die Bürgerwehr „Heilbronn Wach Auf“macht mobil – „hoffentlic­h hatten sie genug Sonnencrem­e auf den Glatzen“–, die Kankas, Gang aus Hawaii, wollen zurückschl­agen. Und dazwischen, Kemal, der seine Freundin zurückgewi­nnen möchte, mit alten Freunden abhängt, sein Geld verzockt, mit dem demolierte­n Jaguar Gespräche führt… Dem nichts mehr gehört, der auch nirgends mehr so richtig dazugehört. Schnoddrig­er Ton, vielschich­tige Milieustud­ie, feinsinnig­e Personenze­ichnung. In Fußballdeu­tsch: Ein Buch wie ein lässiger Schlenzer. Direkt ins Kreuzeck! Stefanie Wirsching

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