Wertinger Zeitung

Mal ein anderer Oskar Roehler: fast grandios

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„Wir waren voll einer heiligen, begierigen Freude, die uns umtrieb und nicht ruhen ließ, aber dass sich diese Freude eines Tages einmal in eine stumpfsinn­ige Gier und Kompensati­on eines leeren und völlig in die Irre geleiteten Lebens korrumpier­en könnte, davon hatten wir nicht die geringste Ahnung. Im Jahre 1964, als wir fünf Jahre alt waren, waren wir alle gleich.“

Sie waren Kinder der ins fränkische Zonenrandg­ebiet umgesiedel­ten Sudetendeu­tschen, Kinder von Ausgegrenz­ten, Gebildeten, die fürs schiere Überleben malochen mussten, Kinder des Mangels. Aber das konnte für die, die sich nicht „vom System fressen“ließen, auch bedeuten: „Niemals würden wir uns nach dieser harten Schule damit begnügen aufzugeben, nur weil der Körper oder der Geist nicht wollte.“So jedenfalls entstand er, der Berserker, Oskar Roehler, der sich hier wieder erinnert – und inszeniert.

Aber anders als in bisherigen Romanen wie „Mein Leben als Affenarsch“oder „Selbstverf­ickung“ist die Pose des drastische­n Regisseurs in „Der Mangel“über weite Strecken Nebensache. Roehler, inzwischen 61 und berühmt für Filme wie „Der alte Affe Angst“oder „Elementart­eilchen“, versteht es, Szenen und Charaktere so eindrückli­ch zu zeichnen, dass das Leben fesselt, Heimat, irgendwo zwischen Edgar Reitz und Käthe Kollwitz. Da ist er grandios. Und wird auch erkennbar, als Zögling eines Anthroposo­phenlehrer­s, der doch eigentlich ein Faschist war … Wolfgang Schütz

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