Wertinger Zeitung

Glückliche­s Kinderlebe­n

Rose Lagercrant­z Mit „So glücklich wie noch nie?“endet die großartige Dunne-Reihe

- Birgit Müller-Bardorff

Wenn Dunne abends nicht schlafen kann, dann zählt sie nicht Schafe, wie viele andere Menschen, sondern all die Momente in ihrem Leben, in denen sie glücklich war. Und da gibt es einige, etwa, als sie einen Frosch von ihrem Cousin geschenkt bekam, auch als sie die ersten Schwimmzüg­e allein machen konnte, oder auch, als sie in die Schule kam. Am allergrößt­en aber ist für Dunne das Glück, als sie dort Ella Frida kennenlern­t, ihre erste beste Freundin. Mit diesem Festhalten an glückliche­n Erinnerung­en beginnt „Mein glückliche­s Leben“, der erste Band der DunneBüche­r von Rose Lagercrant­z. In sechs Büchern hat die schwedisch­e Kinderbuch­autorin seit 2011 die beiden Grundschül­erinnen begleitet und dabei ihre jungen Leser an dieser ganz besonderen Freundscha­ft teilhaben lassen – kongenial unterstütz­t mit schraffier­ten SchwarzWei­ß-Zeichnunge­n von der Illustrato­rin Eva Eriksson. Jetzt beendet die Autorin mit „So glücklich wie noch nie?“diese gelungene Reihe.

Dunne ist ein Mädchen, das ebenso neugierig wie nachdenkli­ch ist, und sie weiß, dass man das Glück auskosten muss. Denn das Bewusstsei­n des Mädchens für die schönen Seiten nährt sich auch aus dem Wissen um das Unglück – das größte, das ein Kind erfahren kann: Ihre Mutter ist gestorben, seitdem besteht Dunnes Familie „aus Dunne selbst, ihrem Papa und der Katze“. Auch Ella Frida wird sie bald schmerzlic­h vermissen, denn schon nach dem ersten Schuljahr zieht die ins weit entfernte Norrköping und die beiden Mädchen können sich nur noch in den Ferien und zu besonderen Gelegenhei­ten sehen. Eine solche wäre nun die Hochzeit von Dunnes Vaters mit Wanda, die im siebten Band ansteht. Doch die Feier

soll im kleinen Kreis und dann auch noch in Papas Heimat Italien stattfinde­n. Dunne ist traurig und sie befürchtet, dass dies ihr Verhältnis mit Ella Frida trüben könnte.

In diesem wie in den anderen Bänden nimmt Lagercrant­z Fäden der Handlung auf, sodass der Einstieg in Dunnes Welt auch gelingt, wenn man die Vorgänger-Bände nicht kennt. Lesen sollte man sie trotzdem alle, denn Lagercrant­z lotet darin mit einem besonderen Gespür die Wechselfäl­le eines Kinderlebe­ns aus, die vielen kleinen Begebenhei­ten, die Ängste und Sorgen ebenso wie Freude und Überschwan­g auslösen. Wie traurig ist Dunne, als die Freundin wegzieht, und wie beseelt, als diese ihr schreibt: „Ich kann ohne Dich nicht leben“. Unbeschwer­t und unaufgereg­t erzählt Lagercrant­z von den Erlebnisse­n Dunnes in Schule und Familie, doch schwingt ein dunkel gefärbter Grundton mit und gibt den Geschichte­n einen Tiefgang, der ungewöhnli­ch für Erstlesebü­cher ist. Ja überhaupt: Lagercrant­z’ DunneBüche­r sind ein Glücksfall für Kinder, die ihre ersten Lektüre-Erfahrunge­n machen, weil sie sich in ihnen wiederfind­en können. Sie spiegeln deren Lebenswelt in einer literarisc­hen Qualität, die aus der Masse sonstiger Erstlesebü­cher ragt. Wie wichtig diese Leseerfahr­ung für Kinder ist, weiß Lagercrant­z aus dem eigenen Erleben. „Pippi Langstrump­f“, „Heidi“, „Frau Holle“, hat sie selbst verschlung­en. Bücher seien für sie die richtige Welt gewesen, sagt sie. „Die Realität musste ich bloß aushalten, bis ich wieder in die Geschichte­n eintauchen konnte“, erzählt die Schwedin, die das Kind von Holocaust-Überlebend­en ist. 1947 geboren, wuchs sie auf, ohne mit ihren Eltern über das erfahrene Leid sprechen zu können. In einer Art Familienpo­rträt („Wenn es noch einen gibt“) hat sie sich später damit beschäftig­t, wie ihre Eltern in der NS-Zeit überleben konnten. „Meine Seele war ein bisschen grau, weil so viel Unglück geschehen war. Aber jedes Mal, wenn ich ein Kinderbuch schreibe, erlebe ich eine neue Kindheit, dann gibt es für mich nur ein Ziel: Ich muss zu einem Happy End kommen, das keine Lüge ist. Es muss irgendwie geschehen können.“

Dieses Happy End gibt es nun für Dunne und Ella Frida im siebten Band. Es ist keines, das nicht auch Spielraum ließe, weiter über diese beiden glückliche­n Mädchen nachzudenk­en – vielleicht ja vor dem Einschlafe­n.

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Aus d. Schwedisch­en von Angelika Kutsch; Moritz, 224 Seiten, 12,95 Euro – ab 7
Rose Lagercrant­z: So glücklich wie noch nie? Aus d. Schwedisch­en von Angelika Kutsch; Moritz, 224 Seiten, 12,95 Euro – ab 7

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