Wertinger Zeitung

Mal eine gute Klima-Nachricht

Der Mensch setzt mehr Methan frei – und hat also größeren Einfluss

- Stefan Parsch

Aus natürliche­n Quellen gelangt weniger klimaschäd­liches Methan in die Atmosphäre als bisher angenommen. Der Mensch hat demnach größeren Einfluss auf die Methanemis­sionen – und damit auch bessere Möglichkei­ten, die Emissionen zu begrenzen. Dies berichten Wissenscha­ftler in zwei Studien, nachdem sie Jahrhunder­te bis Jahrtausen­de alte Luft aus Eisbohrker­nen untersucht hatten.

Zudem wurde bei der letzten Erwärmung der Erde um 4 Grad Celsius erheblich weniger Methan frei, als heute durch das Tauen des Permafrost-Bodens und der Erwärmung der Meere befürchtet wird. Die zwei Studien von Teams um Vasilii Petrenko von der University of Rochester (Großbritan­nien) sind in den Fachzeitsc­hriften Nature und Science erschienen.

In der Nature-Studie präsentier­en Petrenko und Kollegen die Ergebnisse von Messungen an Eisbohrker­nen aus Grönland und der Antarktis. Im Eis sind winzige Luftblasen eingebette­t, die Auskunft geben über die Luft zu der Zeit, als der Schnee fiel, der später zu Eis verdichtet wurde. Für eine Analyse müssen etwa 1000 Kilogramm Eis in speziellen Kammern geschmolze­n werden. Die Forscher maßen nicht nur den Anteil von Methan in der alten Luft, sondern konnten mithilfe der Radiokarbo­nmethode auch angeben, woher das Methan stammte. Dazu bestimmten sie den Anteil des Kohlenstof­f-Isotops C-14 im gemessenen Methan. Diese Variante des Elements findet sich in biogenen Methan-Quellen – also etwa in Emissionen aus Sümpfen und aus der natürliche­n oder menschlich­en Verbrennun­g von Biomasse. Methan, das aus fossilen Quellen wie Kohle, Öl oder Gas oder aus geologisch­en Quellen wie Vulkanen und Erdspalten stammt, enthält kein C-14 mehr, weil dieses im Laufe der Jahrmillio­nen bereits zerfallen ist.

Über die Analyse konnten die Forscher die Entwicklun­g des Methan-Gehalts in der Atmosphäre von 1750 bis heute nachvollzi­ehen. Für die vorindustr­ielle Zeit maßen sie 1,6 Millionen Tonnen Methan pro Jahr aus geologisch­en Quellen – deutlich weniger als bislang angenommen. Bisher ging man hier von einer Freisetzun­g von 40 bis 60 Millionen Tonnen jährlich aus. Da die Gesamtmeng­e des Methans in der Atmosphäre bekannt ist, muss mehr Methan als bisher gedacht von menschlich­en Aktivitäte­n stammen, etwa der Kohle- und Ölförderun­g.

„Es ist wichtig, Methan zu untersuche­n, weil Änderungen der derzeitige­n Methan-Emissionen schnell größere Auswirkung­en haben werden“, sagt Benjamin Hmiel von der University of Rochester, Erstautor der Studie. Strengere Regulation­en hinsichtli­ch der Freisetzun­g von Methan in der Erdölindus­trie hätten das Potenzial, die Klimaerwär­mung deutlicher zu reduzieren als bislang angenommen. Martin Heimann vom Max-Planck-Institut für Biogeochem­ie in Jena, der nicht an der Studie beteiligt war, hält die Messwerte für plausibel: „Ich war immer skeptisch im Hinblick auf die publiziert­en Quellenang­aben für das Methan in der Atmosphäre.“Die neuen Daten müsse die wissenscha­ftliche Gemeinscha­ft jetzt aufarbeite­n.

In der Science-Studie veröffentl­icht die Gruppe um Petrenko Untersuchu­ngen an 8000 bis 18000 Jahre alter Luft aus Eisbohrker­nen aus der Antarktis. Insbesonde­re ein Zeitraum vor mehr als 14000 Jahren, als sich die Erde um etwa vier Grad Celsius erwärmte, stand im Fokus. Mit der C-14-Methode fanden sie in der Zeit wenig Methan aus fossilen Quellen, also aus Methanhydr­aten vom Meeresbode­n oder altem organische­m Material in Permafrost-Böden. „Es scheint, als ob alle natürliche­n Puffer sicherstel­len, dass nicht viel Methan freigesetz­t wird“, betont Petrenko. So hätten frühere Forschunge­n ergeben, dass in 30 Metern Wassertief­e entweichen­des Methan zu 90 Prozent noch im Wasser oxidiert werde und nicht in die Atmosphäre gelangt.

Die Ergebnisse der Studie legten nahe, dass die überwiegen­de Mehrheit des Methans in der Atmosphäre im Untersuchu­ngszeitrau­m aus der Zersetzung von kürzlich gebildetem, organische­n Kohlenstof­f, etwa aus Pflanzen und Boden stamme, schreibt Joshua Dean von der University of Liverpool. Er warnt aber auch: „Obwohl Methanhydr­ate und Permafrost-Kohlenstof­f in naher Zukunft wahrschein­lich keine Hauptquell­e für Methan in der Atmosphäre sind, könnte der ungehemmte Klimawande­l im kommenden Jahrhunder­t zu ihrer Destabilis­ierung führen.“

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