Vom Amphibiensterben zum Schlangenschwund
Die Pilzkrankheit, die seit Jahrzehnten massenhaft Amphibien dahinrafft, führt einer Studie zufolge auch zu einem deutlichen Rückgang von Schlangenpopulationen. Zwar habe der Chytridpilz keine direkten Auswirkungen auf Schlangen, so Wissenschaftler um Elise Zipkin von der Michigan State University in Science. Doch durch das Amphibiensterben fehlten Schlangen eine wichtige Nahrungsquelle: Frösche und Froschlaich. Der Schlangenexperte Sebastian Lotzkat vom Naturkundemuseum Stuttgart, der nicht an der Studie beteiligt war, nennt die Ergebnisse „alarmierend“.
Die Forscher hatten in einem Nationalpark die Vielfalt und Bestände von Schlangen 13 Jahre lang untersucht. Zunächst sieben Jahre (1997 bis 2004) vor Ausbruch der Seuche, dann danach weitere sechs Jahre (2006 – 2012). Der Chytridpilz raffte dort ab Ende 2004 mehr als drei Viertel der Amphibien dahin und rottete mindestens 30 Arten aus.
Fand das Team in der ersten Phase bis 2004 noch 30 Schlangenarten, so waren es ab 2006 nur noch 21. „Der Vergleich zeigt eine enorme Veränderung der Schlangengemeinschaft“, sagt Co-Autorin Karen Lips von der University of Maryland. „Die Zahl der Arten sank. Viele Arten wurden seltener, während wenige häufiger vorkamen.“Da Schlangen im Verborgenen leben, lässt sich aus fehlenden Sichtungen im Dschungel nicht automatisch auf das Verschwinden einer Art schließen. Aber auch mehr als die Hälfte der häufig vorkommenden Arten – neun von 17 Spezies – kam nach dem Amphibiensterben seltener vor. Etwa die grazile Schneckennatter, die sich besonders stark von Amphibieneiern ernährt und deren Sichtungen von 149 auf 49 fielen. Weil das Untersuchungsgebiet in einem Nationalpark liegt, schließt das Team andere Umwelteinflüsse wie Zerstörung oder Verschmutzung aus.
Daneben untersuchten die Forscher auch den Ernährungszustand jener Schlangen, die sie vor und nach der Epidemie jeweils mindestens fünf Mal fanden. Ergebnis: Einige Arten – wie die Bananennatter oder die Spitzkopfnatter – wogen nach der Seuche im Mittel deutlich weniger. „Nach dem Froschsterben war die körperliche Verfassung vieler Schlangen schlechter“, sagt Lips. „Viele waren dünner, und es schien, als ob sie hungerten.“
Der Experte Lotzkat sagt, dies sei die mit Abstand umfassendste und über den längsten Zeitraum laufende systematische Studie zu einer lokalen Schlangenfauna in dem Land, die er kenne. „Wesentlich stichhaltigere Datengrundlagen hat momentan niemand.“Die Ergebnisse und Schlussfolgerungen der Autoren seien durchaus berechtigt.
Und die Bedeutung der Studie reicht weit über Amphibien und Schlangen hinaus. Sie belege, dass Rückgänge von Tierpopulationen eine Kaskade von Folgen auslösen können, die oft im Verborgenen ablaufe. Autorin Lips: „Alles, was wir sahen, änderte sich, nachdem die Frösche verschwunden waren. Wir müssen wissen, was wir verlieren, um wirksam schützen zu können.“Das gelte umso mehr angesichts der derzeitigen, vielfältigen Bedrohungen wie Krankheiten, invasive Arten, Umweltzerstörung und Klimawandel.