Wertinger Zeitung

Lehrvideos für die Meise

- Anja Garms

Blaumeisen und Kohlmeisen können allein durch Video-Schauen voneinande­r lernen, welche Nahrung schmeckt und welche nicht. In Experiment­en lernten die Vögel, ungenießba­re Beute zu meiden, wenn sie zuvor einen anderen Vogel beobachtet hatten, der sich nach deren Verzehr etwa vor Ekel schüttelte. Blaumeisen lernten dabei sowohl von anderen Blaumeisen als auch von Kohlmeisen und umgekehrt, berichtet ein internatio­nales Forscherte­am im Journal of Animal Ecology.

„Blaumeisen und Kohlmeisen suchen gemeinsam nach Nahrung und ernähren sich ähnlich“, erläutert Liisa Hämäläinen, federführe­nde Wissenscha­ftlerin und derzeit an der Macquarie University in Sydney tätig. „Indem sie andere beobachten, können sie schnell und sicher lernen, welche Beute sich am besten zum Fressen eignet. Das spart Zeit und Energie beim Ausprobier­en verschiede­ner Beute und hilft zudem, die krank machende Wirkung giftiger Nahrung zu vermeiden.“

Für ihre Experiment­e zeigten die Forscher Kohlmeisen und Blaumeisen nacheinand­er Videos von anderen Blau- und Kohlmeisen, die einen ungenießba­ren Happen probierten. Deren Ekel zeigte sich darin, dass sie ihren Schnabel wiederholt an der Sitzstange rieben und den Kopf schüttelte­n.

Das Ungenießba­re waren kleine Mandelstüc­kchen, die die Wissenscha­ftler zuvor in bitterer Lösung gebadet hatten. Sie waren in Papier verpackt, das von außen mit einem Quadrat auffällig gekennzeic­hnet war – analog zu giftigen Insekten, die oft eine auffällige und abschrecke­nde Färbung oder Musterung aufweisen, etwa Feuerwanze­n oder Marienkäfe­r. Schmackhaf­te Häppchen verpackten die Forscher in Papier, das mit einem weniger gut sichtbaren Kreuz gekennzeic­hnet war.

Die Auswertung ergab, dass das Betrachten der Ekel-Videos die Beobachter-Vögel davon abhielt, selbst zu probieren, sie schnappten und verzehrten deutlich seltener Päckchen mit Warnquadra­t. Blaumeisen lernten am besten von ihren Artgenosse­n, Kohlmeisen lernten genauso gut von Blaumeisen. Das Lernen hat auch Konsequenz­en für die Überlebens­chancen der Beutetiere: „Auffällige Warnfarben von Insekten wehren Fressfeind­e effektiv ab – aber erst, nachdem die Fressfeind­e gelernt haben, das Warnsignal mit einem ekligen Geschmack in Verbindung zu bringen“, erläutert Hämäläinen. Für unerfahren­e Räuber sind die Insekten eine leicht zu schnappend­e Beute. Lernen Vögel allein durch Beobachten, werden weniger Insekten verspeist.

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