Wertinger Zeitung

Ein Landwirt mit heimlicher Leidenscha­ft

Herzenswun­sch Martin Völk aus Mertingen begeistert sich für Weizengläs­er. Mehr als 1500 hat er bereits gesammelt. Eine Frau lässt er zum Spülen nicht an diese Raritäten

- VON HELMUT BISSINGER

Mertingen Eigentlich hat Martin Völk nur eine Leidenscha­ft: seine Arbeit als Landwirt. Doch es kann schon passieren, dass er die Sämaschine in der Scheune lässt, obwohl ideale Wetterbedi­ngungen herrschen, um neues Saatgut auszubring­en. „Dann schlägt die Liebe zu meinem Hobby durch“, verrät der Mertinger. Wenn in Bayern eine Börse ansteht, bei der Weizengläs­er verkauft werden, hält ihn nichts am heimischen Hof.

Begonnen hat alles 2004. Damals erfüllte sich Martin Völk einen Herzenswun­sch und kaufte einen Billardtis­ch. Die Idee: Jeder Spieler sollte sein ganz persönlich­es, eigenes Weizenglas haben. So suchte er auf Flohmärkte­n nach Weizengläs­ern. Mittlerwei­le stehen in seinen Vitrinen und Regalen 1500 Stück.

Wann immer er von Flohmärkte­n zurückkam, waren es immer mehr Gläser geworden. Völk baute das erste Regal. „Zur gleichen Zeit entdeckte ich das Internet“, blickt der Landwirt zurück, „und die Möglichkei­t, dort Weißbiergl­äser zu erwerben.“Spätestens jetzt hatte ihn die Sammelleid­enschaft gepackt. Übers Internet lernte er dann auch gleich Gleichgesi­nnte kennen. Völk besuchte andere Weizenbier­glassammle­r und die kamen zu ihm nach Mertingen. Sie stehen im ständigen Austausch.

Mittlerwei­le weiß Martin Völk, wo er Raritäten finden kann. Als ein Mekka bezeichnet er den Flohmarkt für Gefäße und Krüge in Gersthofen. Dort hat er Sammler aus ganz Deutschlan­d kennengele­rnt. „Sogar aus Italien oder Amerika sind Besucher da“, erzählt er. Es sei allerdings schwer geworden, auf Flohmärkte­n fündig zu werden, „das Internet bietet da viel größere Möglichkei­ten“.

Einmal entdeckte er im Internet ein mundgeblas­enes Weizenglas der heimischen Brauerei Mertingen. „Dass es solche Gläser gibt, wusste ich“, erzählt Völk. Kurzerhand habe er es erstanden – zum stattliche­n Preis von 434 Euro. Das schöne Stück passte gleich doppelt, denn Völk sammelt nicht nur Weizengläs­er, sondern auch alles andere, das mit der ehemaligen, 1925 geschlosse­nen Brauerei in Mertingen in Zusammenha­ng steht.

Alle Arten von Bier- und anderen Gläsern, Bierfässer, Brauerei-Etiketten, Bierfilze und Teller sowie einen rund 100 Jahre alten Weißwurstt­eller aus dem Mertinger hat Völk in seiner Sammlung. Zudem baut Völk noch einen weiteren Sammlungsz­weig auf: die offizielle­n Oktoberfes­t-Bierkrüge, die neben den üblichen Brauereikr­ügen erst mit dem Jahr 1978 eingeführt wurden.

Als er bei einem Besuch mit der Mertinger Feuerwehr in Vogt Musikanten sah, die ein 20 Liter fassendes Weizenbier­glas dabei hatten, reifte der Entschluss, ein solches für die Sammlung zu beschaffen. Prompt fand Völk eine Manufaktur im Bayerische­n Wald, die solche Gläser produziert. Er machte das Geschäft perfekt, ließ das Emblem der Mertinger Brauerei einfräsen und es dann von einem Hobby

bemalen. In einem eigenen Raum glänzen und glitzern nun über 1500 Weizenbier­gläser, spiegeln sich in den Vitrinen und glänzen in allen Farben. Völk beschränkt sich auf Gläser von deutschen Brauereien. Keines ist doppelt.

Das nachweisli­ch älteste Weißbiergl­as in Völks Sammlung stammt vom Weißbräuha­us in Ingolstadt, das 1959 seinen Betrieb eingestell­t hat.

Martin Völk könnte stundenlan­g von dieser Leidenscha­ft erzählen. Die Gläser sind im Alphabet der Brauereien angeordnet. Rein zufällig verweist der Sammler auf ein älteres Glas, das sofort wegen seines dickeren Trinkrande­s ins Auge geBrauhaus fällt. „Das war früher üblich, denn der Weizengesc­hmack kann sich besser im Mund entfalten, wenn das Glas einen dicken Rand hat.“Ob er seine Sammlung noch groß erweitern wird, kann Völk nicht sagen. „Eigentlich nicht“, meint er. Aber wer wisse schon, was sich ihm anbiete. So weit wie ein Sammlerkol­lege aus Nordrhein-Westfalen gehe seine Begeisteru­ng nicht. Der Mann hatte einen Kredit von 35000 Euro aufgenomme­n, um die Sammlung eines verstorben­en Freundes aufzukaufe­n. Ein anderer Sammler hat eigens eine Eigentumsw­ohnung gekauft, um seine Gläser aufstellen und präsentier­en zu können.

Was wäre ein Weizenbier­glaskünstl­er sammler ohne eine tüchtige Frau, möchte man meinen. Denn Frauen, die sich für die Gläser von Martin Völk begeistern, denken zuerst ans Abspülen. Martin Völk aber hat seine Ehefrau über Jahre nicht an seine Schätze gelassen. Im vorigen Jahr konnte er es aber nicht mehr sehen, wie der Staub sich ausbreitet­e.

Sein Freund Gerold und er hätten dann feinsäuber­lich mit Spülmittel Glas für Glas gereinigt – kein einziges ging zu Bruch. Pro Glas nahmen sich die Männer 20 Minuten Zeit. Mehrere Tage lang haben die zwei Freunde mit dieser Spülaktion verbracht. Am Ende jedes einzelnen Tages haben sie sich belohnt: mit einem genussvoll­en Weißbier…

 ?? Foto: Helmut Bissinger ?? Sammelt Weizenbier­gläser: Martin Völk aus Mertingen. Inzwischen nennt er 1500 Exemplare sein Eigen.
Foto: Helmut Bissinger Sammelt Weizenbier­gläser: Martin Völk aus Mertingen. Inzwischen nennt er 1500 Exemplare sein Eigen.

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