Wertinger Zeitung

„Um Sebastian muss man sich keine Sorgen machen“

Formel 1 TV-Experte Christian Danner spricht über die neue Saison, die Chancen von Vettel und die Zukunft der Königsklas­se

- Interview: Marco Scheinhof

Herr Danner, ich erwische Sie gerade in Deutschlan­d, das ist sehr ungewöhnli­ch. Eigentlich sollten Sie doch schon in Australien sein.

Christian Danner: Ja, aber RTL hat entschiede­n, die ersten Rennen der Formel-1-Saison aus dem Studio in Köln zu machen, da ist die Sendesiche­rheit größer. Neben dem Risiko für die eigene Gesundheit hätte es passieren können, dass wir auf der Anreise irgendwo in Quarantäne geraten.

Wo bekommen Sie dann die Bilder und Interviews her?

Danner: Das Material stellt uns die Formel 1 zur Verfügung, da sind wir bestens aufgestell­t. Ein Unterschie­d ist, dass bei den Interviews eben nicht Kai Ebel die Fragen stellt.

Haben Sie in Ihrer Zeit bei RTL überhaupt schon einmal ein Formel-1-Rennen verpasst?

Danner: Ich bin ja nun schon seit 21 Jahren für RTL dabei und habe tatsächlic­h noch kein Rennen verpasst. Das jetzt ist schon ein merkwürdig­es Gefühl. Wir werden aber trotzdem in vollem Umfang berichten, also vom freien Training bis zum Rennen. Ich freue mich schon sehr auf den Saisonstar­t.

Bei welchem Rennen werden Sie dann erstmals in dieser Saison vor Ort sein? Danner: Anfang Mai in Zandvoort. Australien und Bahrain machen wir aus Köln, für Hanoi besteht eine Reisewarnu­ng, da ist es noch nicht endgültig geklärt, ob das Rennen stattfinde­t. Und Shanghai ist ja ohnehin schon abgesagt.

Das ist für Sie ja ganz ungewohnt, so lange in Deutschlan­d zu sein. Danner: Das stimmt. Ich fühle mich hier aber auch sehr wohl. Es hat ja einen Grund, warum ich am Starnberge­r See wohne. Bis vor wenigen Tagen war ich noch im Engadin beim Langlaufen. Ich bin ein begeistert­er Langläufer und für mich alleine die Strecke des abgesagten Engadin-Marathons gelaufen. Das ist schon einzigarti­g.

Schauen wir mal auf die anstehende Formel-1-Saison. Wie sehen Sie die Kräfteverh­ältnisse?

Danner: Das Feld ist zweigeteil­t. Da gibt es die Topteams Mercedes, Red Bull und Ferrari und dahinter das sogenannte Mittelfeld. Dort gibt es aber keine richtige Hackordnun­g, da geht alles sehr eng zu. Der zweite Teil ist aber so nah an der Spitze, dass sich die Teams dort auch keine Fehler erlauben dürfen. Das sind tolle Voraussetz­ungen für eine klasse Motorsport­saison.

Konnten Sie aus den Testfahrte­n in Barcelona Erkenntnis­se für das Kräfteverh­ältnis gewinnen?

Danner: Barcelona ist nur eine Strecke mit ganz speziellen Verhältnis­sen. Da war Mercedes deutlich vorne. Aber in Melbourne kann das schon wieder ganz anders aussehen.

Da reichen Kleinigkei­ten und schon ist man schneller oder langsamer. Nehmen Sie Ferrari im vergangene­n Jahr. Da war das Team in Barcelona am schnellste­n. Dann kommen sie nach Melbourne und da geht gar nichts mehr.

Das heißt, wir müssen uns trotz der Probleme bei den Tests keine Sorgen um Sebastian Vettel machen? Danner: Um Sebastian muss man sich ohnehin keine Sorgen machen. Er weiß, wie man schnell Rennen fährt, das hat er nicht verlernt. Die Frage wird Ferrari sein, wie dort die technische­n Entwicklun­gsschritte funktionie­ren. In den vergangene­n Jahren hat sich gezeigt, dass Mercedes und Red Bull da im Laufe einer Saison immer stärker waren.

Sehen Sie die Hackordnun­g also momentan Mercedes vor Red Bull und dann erst Ferrari?

Danner: Momentan ja. Aber diese Erkenntnis­se beziehen sich aus zweimal drei Tagen in Barcelona. Gott sei Dank lässt sich das alles noch nicht voraussage­n.

Voraussage­n aber lässt sich, dass Lewis Hamilton wieder um den Titel kämpfen wird. Es wäre sein siebter, womit er den Rekord von Michael Schumacher einstellen würde.

Danner: Lewis hat natürlich sehr gute Voraussetz­ungen. Aber auch er muss erst einmal vernünftig durch die Saison kommen. Er ist aber unverkennb­ar topfit und hoch motiviert.

Er hat vor wenigen Wochen Bilder gepostet, dass er noch einmal fünf Kilo abgenommen hat.

Danner: Das alleine zeigt natürlich nicht, dass er fit ist. Das ist eher eine psychologi­sche Komponente für ihn selbst und seine Gegner. Für ihn viel wichtiger sind die Energie und der Biss, nach den vielen Titeln nicht müde zu werden. Da traue ich ihm zu, dass er wieder den Titel holt.

Was macht Lewis Hamilton so stark? Danner: Erst einmal ist er ein Megatalent. Da hat ihm der liebe Gott viele Rennfahrer­gene mitgegeben. Und er weiß mittlerwei­le, was ihm guttut. Er hat sich so gut kennengele­rnt, dass er weiß, was er braucht, damit am Ende ein bärenstark­er Lewis Hamilton rauskommt. Er lebt, wie er es will, mit all seinen Aktivitäte­n auf Social Media, seinen Reisen, seinen Charity-Aktivitäte­n. Und Mercedes lässt ihn einfach machen. Das ist eine Kombinatio­n, die zuletzt Michael Schumacher bei Ferrari so hatte.

Das heißt: Sebastian Vettel hat diese Kombinatio­n bei Ferrari nicht. Danner: Richtig. 2018 hatte Ferrari eine echte Titelchanc­e, da hat aber Teamchef Maurizio Arrivabene mit vielen falschen Entscheidu­ngen die Chance in den Sand gesetzt. Mit Strategief­ehlern zum Beispiel. Man hätte sich auch viel früher auf Sebastian konzentrie­ren müssen und ihn nicht immer wieder ins offene Messer laufen lassen sollen. Letztes Jahr war dann das Auto nicht gut genug, obwohl es Mattia Binotto jetzt als Teamchef viel besser macht.

Die Nummer eins wird Vettel aber bei ihm nicht sein. Mit Charles Leclerc hat er einen starken Teamkolleg­en. Danner: Nicht nur einen starken Teamkolleg­en, sondern ein Ausnahmeta­lent. Charles Leclerc ist nur schwer zu schlagen. Ich bin aber davon überzeugt, dass Sebastian ihn schlagen kann, wenn er das bekommt, was er braucht.

Wenn es aber keine Nummer eins im

Team gibt, wird das Auto wohl auch auf keinen Fahrer zugeschnit­ten. Danner: Ein schnelles Auto hilft ja beiden. Vergangene­s Jahr war das Auto an einem Punkt für Sebastian schlecht, da es auf der Hinterachs­e zu instabil war.

Das heißt, Sie gehen davon aus, dass beide offen gegeneinan­der fahren dürfen?

Danner: Am Anfang ja. Ich denke aber, nicht sehr lange. Sollte einer in den ersten zwei, drei Rennen dominant sein, wird sich das Team auf ihn festlegen.

Wie sehen Sie die Formel 1 aktuell aufgestell­t, auch hinsichtli­ch des Klimawande­ls?

Danner: Die CO2-Neutralitä­t hat die Formel 1 ja schon lange für sich thematisie­rt. Und nicht nur die Serie selbst, sondern auch die Teams. In den nächsten zwei Jahren soll es rund um die Rennen komplett klimaneutr­al sein. Außerdem fahren wir hier ja schon mit Hybridmoto­ren, das wird manchmal vergessen. Und in absehbarer Zeit werden die Versuche mit dem CO2-neutralen Benzin beginnen. Die Formel 1 ist also gut aufgestell­t für die Zukunft und wird ihre Daseinsber­echtigung als Topmotorsp­ortveranst­altung behalten. Man sollte bei diesem Thema auch mal auf andere Sportarten blicken. Auch ein Fußballsta­dion ist nicht CO2-neutral. Denken Sie an Rasenheizu­ng, Flutlicht und die Fans müssen ja auch erst mal zum Stadion kommen.

Wie sehen Sie in diesem Zusammenha­ng die Formel E, ist die eine Konkurrenz für die Formel 1?

Danner: Sie ist eine sehr gute Ergänzung, aber keine Konkurrenz. Ich bin ein großer Freund der Formel E. Sie ist eine gute Plattform und wichtig für die Hersteller und die E-Mobilität. Aber die Autos, der Speed und die Zielgruppe­n sind ganz unterschie­dlich.

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Lewis Hamilton (links) in seinem Mercedes und Sebastian Vettel in seinem Ferrari werden sich auf der Strecke wieder häufiger begegnen.
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Fotos: dpa Lewis Hamilton (links) hofft auf seinen siebten WM-Titel, Charles Leclerc gilt als Ausnahmeta­lent. Das muss er nun beweisen.

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