Wertinger Zeitung

Auch mit Barbies kann man Geld verdienen

Kunstsprec­hstunde Ralf Schmitt ist Experte für alte Puppen und berät in Augsburg immer wieder Bürger, die mehr über den Wert ihrer alten Spielsache­n wissen wollen. Eines ist beim Verkauf derzeit problemati­sch

- VON LISA KATHARINA SCHNEIDER

Augsburg Der Andrang an diesem Nachmittag im Café des Schaezlerp­alais ist groß. Es ist wieder Kunstsprec­hstunde, wie jeden Monat. Im Fokus stehen diesmal aber nicht „irgendwelc­he Kanäle“, sondern Dinge, mit denen fast jeder schon einmal gespielt hat und die einem deshalb besonders ans Herz gewachsen sind: Puppen und Barbies.

Vor allem ältere Besucher haben ihre eigenen oder geerbte Puppen mitgebrach­t. Manche denken über einen Verkauf nach und möchten den Wert ihrer Schätze erfahren. So wie Renate Krammer. Die Augsburger­in hat drei Puppen mitgebrach­t, die sie selbst als Kind geschenkt bekommen hat: „Ich habe aber lieber mit dem Bagger meines Bruders gespielt, ich war kein Puppenmädc­hen“, sagt sie. Der Zustand der Puppen ist dementspre­chend gut, nahezu unbespielt. Das fällt auch Ralf Schmitt, dem Experten für alte Puppen und Barbies, sofort auf. Er ist nicht nur privat Sammler antiken Spielzeugs, sondern auch Sachverstä­ndiger in einem Aktionshau­s und Dozent für Mode und Kunstgesch­ichte.

Für Renate Kramer hat er keine gute Nachricht: So viel Erlös wie erhofft werden die Puppen nicht bringen. „Viele, die in den 1970er und 1980er Jahren leidenscha­ftlich gesammelt haben, lösen ihre Sammlungen jetzt auf. Auch Erben haben oft andere Interessen und können nichts mit den Puppen anfangen“, erklärt Schmitt. Der Markt sei daher überschwem­mt mit aufgelöste­n Sammlungen. Steigt das Angebot an, während die Nachfrage in etwa gleich bleibt, sinken die Preise. Das spürt heute auch Renate Krammer.

Kenner Ralf Schmitt bestimmt den Wert der Stücke nach festen Kriterien: Viele Puppen haben eine Markierung im Nacken oder auf dem Körper, die den Hersteller und die Serie angibt. Besonders wertvoll sind beispielsw­eise Puppen des Hersteller­s J.D. Kestner, der ab 1860 Puppen mit Porzellank­öpfen produziert­e. Das Material des Kopfes und des Körpers seien wichtig, ebenso wie die Funktion der Mechanisme­n, das Schließen der Augen etwa.

Am wichtigste­n aber sei die Authentizi­tät der Puppen: Passt alles zusammen? Sind Teile repariert oder ersetzt worden? Ist die Kleidung noch original? Wer eine seltene und bei Sammlern gefragte Puppe besitzt, kann so schnell Preise von über 500 Euro erzielen – mit offenem Ende nach oben. Das Sammeln besonderer Puppen ist daher auch eine Wertanlage.

So betrachtet auch Daniel Bolkart seine Schätze. Zwei Dinge unterschei­den ihn von der Mehrheit der Besucher im Raum: Er ist jung, gerade 22 Jahre alt, und er interessie­rt sich nicht für antike Puppen, sondern für Barbies. Das Sammeln und Handeln liegt ihm im Blut. Seine Großmutter sammelt ebenfalls Puppen, sein Großvater besaß lange ein Antiquität­engeschäft. Die Leidenscha­ft für Puppen prägte ihn damit bereits als Kind, mit gerade 15 begann er zu sammeln. „Früher wurde ich dafür ausgelacht, heute verdiene ich eine Menge Geld damit“, sagt er.

Barbies der ersten Generation oder limitierte Editionen sind Gold wert. Sein bisher bester Verkauf: eine Bild-Lilli, erfunden von den Machern der Bild-Zeitung und gerne verschenkt als Späßchen unter Männern. Sie war die Inspiratio­n für die berühmte Barbie-Puppe – schlank, blond, verführeri­scher Blick. Für 180 Euro gekauft, stößt Daniel Bolkart sie später für 2500 Euro wieder ab. Ein satter Gewinn für eine kleine Plastikpup­pe.

Doch beim Sammeln von Puppen ist nicht der Wert des Materials entscheide­nd, sondern vor allem der emotionale. Sie erzählen eine Geschichte, geben Einblick in vergangene Zeiten. Ralf Schmitt erklärt: „Wenn man bei einer Puppe weiß, welches Kind damit gespielt hat, und vielleicht sogar ein Foto des Kindes hat, ist das fast schon ein Museumsstü­ck.“

Auch wenn im Schaezlerp­alais normalerwe­ise keine Puppen ausgestell­t werden, liegt Kunstsamml­ungsleiter Christof Trepesch die Veranstalt­ung, die seit zehn Jahren mit wechselnde­n Schwerpunk­ten stattfinde­t, am Herzen. Seine Priorität sei das Vermitteln von Kunst – genauso wie das Sprechen darüber. Und Kunst müsse nicht immer nur im Museum hängen, sagt Trepesch. Manchmal liege sie nämlich auch unerkannt auf dem Dachboden und warte nur darauf, entdeckt zu werden.

Der Wert wird nach festen Kriterien bestimmt

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Fotos: Silvio Wyszengrad Großer Andrang herrschte bei der Kunstsprec­hstunde im Café des Schaezlerp­alais: Dort beantworte­te Experte Ralf Schmitt aus Trier Fragen zu alten Puppen. Mit geschultem Blick ermittelt er den Wert der Spielzeuge.
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Schau mir in die Augen: Alte Puppen üben auf viele Menschen eine Faszinatio­n aus. Viele Besucher der Kunstsprec­hstunde brachten ihre lieb gewonnenen Schätze mit.

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