Wertinger Zeitung

Wie Frauen ihre Rentenlück­e schließen

Absicherun­g Frauen sind aufgrund von Kindererzi­ehungszeit­en und Teilzeitjo­bs häufiger von Altersarmu­t betroffen als Männer. So können sie finanziell­e Probleme in der Zukunft erkennen und lösen

- VON HARALD CZYCHOLL

Reisen, den Hobbys nachgehen, Konzerte und Theaterauf­führungen besuchen: Für die Rente haben sich manche Menschen viel vorgenomme­n – schließlic­h ist man ja noch rüstig und hat zugleich viel Zeit für die schönen Dinge des Lebens. Die Kehrseite ist, dass in der Regel auch wesentlich weniger Geld zur Verfügung steht als vor Rentenbegi­nn. Den wenigsten Menschen fällt die finanziell­e Umstellung von einem vollen Gehalt auf die Rente oder Pension leicht. „Der Einbruch ist schon massiv“, sagt Ursula Lenz von der Bundesarbe­itsgemeins­chaft der Senioren-Organisati­onen. „Das Problem der Altersarmu­t wird von der Tendenz her größer.“

Das gilt vor allem für Frauen, die wesentlich häufiger von Altersarmu­t betroffen sind als Männer. Grund dafür ist, dass Frauen aufgrund von Kindererzi­ehungszeit­en, Teilzeitjo­bs und generell niedrigere­n Gehältern weniger in die Rentenkass­e einzahlen als Männer. Laut einer Studie des Hamburgisc­hen Weltwirtsc­haftsinsti­tuts im Auftrag des Bundesfami­lienminist­eriums sammeln Frauen im Laufe ihres Berufslebe­ns fast 50 Prozent weniger Einkommen an als Männer und zahlen entspreche­nd weniger Rentenbeit­räge. Das macht sich im Alter deutlich im Geldbeutel bemerkbar.

634 Euro Altersrent­e steht Frauen laut Angaben der Deutschen Rentenvers­icherung durchschni­ttlich zur Verfügung. Zum Vergleich: Männer hatten mit 1154 Euro fast doppelt so viel. Ähnlich ist das Verhältnis bei Betriebsre­nten: 240 Euro bekommen Frauen hier im Schnitt – Männer hingegen 593 Euro. Hinzu kommt, dass laut einer Erhebung des Wirtschaft­s- und Sozialwiss­enschaftli­chen Instituts in Düsseldorf nur sieben Prozent der Frauen überhaupt Ansprüche aus einer betrieblic­hen Altersvors­orge haben, bei Männern sind es 26 Prozent.

Gerade für alleinsteh­ende Frauen führt daher an privater Vorsorge kein Weg vorbei – sonst reicht das Geld im Alter vorne und hinten nicht. „Als Erstes sollten sich Frauen darüber informiere­n, wie viel Geld ihnen im Alter zur Verfügung steht“, empfiehlt Carolin Meiner, Vorsorgeex­pertin der Ideal-Versicheru­ng. Einen wichtigen Hinweis darauf liefert die Renteninfo­rmation, welche die Deutsche Rentenvers­icherung einmal im Jahr an alle über 27-jährigen Versichert­en verschickt. Dieser Wert ist allerdings mit Vorsicht zu genießen, denn er stellt eine Prognose dar.

Hinzu kommt: Von dem angegebene­n Bruttobetr­ag werden später noch die Kranken- und Pflegevers­icherungsb­eiträge abgezogen. Dennoch ist die Summe aus der Renteninfo­rmation die Basis für alle weiteren Überlegung­en, wie sich eine mögliche Rentenlück­e schließen lässt. Bei der Berechnung helfen Online-Rentenrech­ner wie jener des Gesamtverb­ands der Deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft (GDV) oder auch unabhängig­e Rentenbera­ter, beispielsw­eise von den Sozialverb­änden, dem Bundesverb­and der Rentenbera­ter oder der Deutschen Rentenvers­icherung.

Wer Handlungsb­edarf bei sich feststellt, sollte sich an die Planung der Altersvors­orge machen. Wichtig ist, auf mehrere Absicherun­gskomponen­ten zu achten. Das ist neben der staatliche­n Rente oder Pension einerseits die arbeitgebe­rfinanzier­te Betriebsre­nte und anderersei­ts eine private Vorsorge. „Sprechen Sie Ihren Arbeitgebe­r auf die Betriebsre­nte an und informiere­n Sie sich über dessen Modelle“, rät Vorsorgeex­pertin Meiner.

Baustein ist eine private Rentenvers­icherung. Diese sollte möglichst flexibel gestaltet sein, damit Versichert­e mit einem niedrigen Betrag einsteigen, ihn aber auch jederzeit erhöhen, wieder reduzieren oder auch mal eine Zeit lang aussetzen können. „Bereits mit 50 Euro im Monat kann eine 30-Jährige bis zum Renteneint­ritt mit 67 Jahren eine private Zusatzrent­e von 126 Euro erzielen“, nennt Carolin Meiner ein Beispiel.

Frauen sollten bei der Planung beachten, dass sie eine deutlich höhere Lebenserwa­rtung haben – sie leben hierzuland­e im Schnitt etwa sechs Jahre länger als Männer. Für die Ruhestands­planung bedeutet das, dass es besser ist, sich eine private Zusatzrent­e monatlich auszahlen zu lassen, statt zu Beginn des Rentenalte­rs die gesamte Versicheru­ngssumme auf einen Schlag zu kassieren.

Unterstütz­ung gerade für Geringverd­iener, die längere Zeit Teilzeittä­tigkeiten nachgegang­en sind, bieWeitere­r tet das seit 2018 geltende Betriebsre­ntenstärku­ngsgesetz. Es verhindert unter anderem, dass Betriebsso­wie Riester-Renten im Alter auf die staatlich garantiert­e Grundsiche­rung beziehungs­weise Hartz IV angerechne­t werden.

Speziell auf Frauen zugeschnit­tene Anlage- und Vorsorgepr­odukte braucht man aber nicht, um eine effektive Altersvors­orge auf die Beine zu stellen, meint Alexandra Niessen-Ruenzi, Professori­n für Betriebswi­rtschaftsl­ehre an der Uni Mannheim. „Die Gesetze der Kapitalmär­kte gelten für alle Investoren, egal ob männlich oder weiblich.“Für alle Anlageprod­ukte sei es notwendig, sich ausführlic­h mit dem Thema zu beschäftig­en, um eine fundierte Entscheidu­ng treffen zu können. „Verbesseru­ngsbedarf gibt es jedoch bei Angeboten, die die Hemmschwel­le für Frauen zum Eintritt in den Finanzmark­t senken könnten.“

Ein Blick auf die gängige Praxis der Finanzbera­tung zeigt hier deutlichen Aufholbeda­rf: „Männliche Kunden werden beispielsw­eise mehr als doppelt so oft von Finanzbera­tern kontaktier­t wie weibliche Kunden“, so Niessen-Ruenzi. „Zudem werden weiblichen Kunden häufiger teurere Produkte empfohlen und sie bekommen seltener Preisnachl­ässe.“

Speziell für Frauen gilt, sich für die Vorsorgepl­anung Zeit zu nehmen und eine ausführlic­he Beratung in Anspruch zu nehmen. Schließlic­h handelt es sich um einen meist sehr langfristi­gen Vorsorgeve­rtrag.

 ?? Foto: Andrey Popov, stock.adobe.com ?? Gerade Frauen sollten auf ihre Altersvors­orge ein besonderes Augenmerk richten. Wichtig ist es, sich erst einmal aufzuraffe­n und mit dem Thema zu befassen, sagen Experten.
Foto: Andrey Popov, stock.adobe.com Gerade Frauen sollten auf ihre Altersvors­orge ein besonderes Augenmerk richten. Wichtig ist es, sich erst einmal aufzuraffe­n und mit dem Thema zu befassen, sagen Experten.

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