Schwere Rückschläge für Volkswagen
Konjunktur Autobauer verkaufte zuletzt deutlich weniger Fahrzeuge. Betriebsratschef übt massive Kritik am Vorstand des Konzerns
Wolfsburg Nach den Milliarden Zahlungen im Zuge des Diesel Skandals schien der Volkswagen Konzern wieder erfolgreich durch zu starten. Unternehmens chef Herbert Diess erntete viel Lob fürs eine konsequente Elektroauto-Strategie. Doch nun wird der Weg wieder zunehmend steiniger für den weltgrößten Autobauer. Denn wie schon im Januar konnte VW auch im Februar im Vergleich zu den Vorjahresmonaten deutlich weniger Fahrzeuge verkaufen.
Die Ursachen dafür liegen auf der Hand: Die Corona-Krise und die schon vor dem Ausbruch der Pandemie schlechtere konjunkturelle Lage setzen auch den lange robust wirkenden Wolfsburgern zu. Dabei sind die Einbrüche in China für VW besonders schmerzlich, ist das riesige asiatische Land für das deutsche Unternehmen doch als wichtigster Einzelmarkt von enormer Bedeutung. Dort gingen die Auslieferungen im Februar um 74 Prozent auf nur noch 60900 Fahrzeuge zurück. Das satte China-Minus schlug natürlich auf die weltweite Absatzbilanz für diesen Monat durch: Hier war ein Rückgang von 24,6 Prozent auf 546300 Autos zu verzeichnen. So nehmen es die VW-Manager mit Erleichterung auf, dass sich der chinesische Markt langsam wieder zu erholen beginnt. Natürlich gibt es in einem derart großen Konzern wie Volkswagen immer mehrere Baustellen. Dadurch ist Unruhe in dem Unternehmen schwer zu vermeiden. Doch nun wird seitens der Arbeitnehmerseite ein Konflikt in ungewohnter Schärfe offen nach außen getragen. Dabei poltert Gesamtbetriebsratsvorsitzender Bernd Osterloh in einer Heftigkeit, die selbst für ihn als Mitglied des Vereins für deutliche Aussprache ungewöhnlich zünftig erscheint. Er ist entsetzt, dass wegen nicht enden wollender Produktionsprobleme bei weitem nicht so viele Fahrzeuge des neuen Golfs der achten Generation gefertigt wurden. 100 000 Stück seien geplant gewesen, aber bisher nur 8400 Stück gebaut worden. In der Firmenzeitung Mitbestimmen wird die krasse Planverfehlung für das vergangene Jahr von BeschäftigtenVertretern auf Probleme bei der Software- und Elektroniksteuerung zurückgeführt. Nach Berichten von Fachzeitschriften wie kfz-Betrieb ist ebenfalls wegen Softwareproblemen sogar der Marktstart des neuen und mit vielen Hoffnungen begleiteten Elektroautos ID.3 für den von VW anvisierten Sommer dieses Jahres gefährdet. Der im Konzern mächtige Arbeitnehmer-Mann Osterloh ist nicht mehr bereit, all die Pannen hinzunehmen. Er geht offen auf das Spitzenmanagement los, was bei Volkswagen sonst nur passiert, wenn Vorstände im großen Stil Arbeitsplätze abbauen wollen. So stichelte Osterloh auf den neuen Golf bezogen: „Hier wollten überehrgeizige Vorstände zu schnell zu viel Technik in ein Fahrzeug stopfen und sind damit gescheitert.“Für den Betriebsratschef ist der Start des neuen Golfs „missraten“. Er sprach von einem Trauerspiel.
Osterloh glaubt sogar: „Einige Vorgesetzte machen einen enormen Druck auf uns Beschäftigte. Es ist doch klar, dass so ein Verhalten krank machen kann.“
Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer ist sich jedenfalls sicher: „Das alles ist schlecht für VW-Chef Diess.“Der Branchenkenner meint, die Ursache des aktuellen VWÜbels zu kennen. Daher sagte er dieser Redaktion: „Ich glaube, Software ist für unsere Autobauer ein Mysterium.“Das hat aus Sicht von Dudenhöffer Konsequenzen: „Bits und Bytes verstehen sich dann nicht gut und machen Ärger.“Der USElektroautobauer Tesla fahre in der Software-Disziplin heimischen Herstellern jedenfalls davon. Der Autokenner ist deshalb überzeugt: „Tesla-Chef Elon Musk versteht Software.“Bei Diess hat der Wissenschaftler festgestellt, dass er „sehr schnell unterwegs ist“. Dadurch sei natürlich die Fehleranfälligkeit groß. Generell glaubt Dudenhöffer, dass der VW-Konzern trotz aller ambitionierten Softwarepläne in entscheidenden Führungsfunktionen immer noch von Maschinenbauern dominiert werde. Professor Stefan Reindl, Direktor des Instituts für Automobilwirtschaft in Geislingen, sieht das anders. Er geht fest davon aus: „Deutsche Hersteller können Software und Volkswagen wird hier rasch aufholen.“