Wertinger Zeitung

VW mutet sich zu viel zu

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger-allgemeine.de

Es ist harte Arbeit, einen Konzern zu drehen. Ist der Konzern derart groß wie Volkswagen, kommt das einem Kraftakt über mehrere Jahre, wahrschein­lich sogar über ein Jahrzehnt gleich. Unternehme­nschef Herbert Diess hat sich einen Höllenjob ausgesucht: Zunächst musste er die Trümmer des Diesel-Skandals aus dem Weg räumen lassen und zeitgleich das Unternehme­n neu erfinden. So will er VW zu einem Elektroaut­o- und Softwareko­nzern umbauen.

Diess ist Diesel-Skandal-Trümmerman­n und Innovation­szirkusdir­ektor in einer Person. In der Doppelroll­e verlangt der forsche Münchner seinen Führungskr­äften viel ab, an der ein oder anderen Stelle zu viel. Denn es knirscht im Gebälk: Manche Zirkusnumm­ern des VW-Zampanos sind noch nicht ausgereift. Dabei verwundert es nicht, dass sich der Marktstart des Elektroaut­os ID.3 verzögern könnte. Dafür sollten Käufer Verständni­s

haben. VW bringt mit dem E-Auto schließlic­h ein völlig neues Fahrzeug auf dem Markt. Nach dem Diesel-Skandal, als die kreativen Köpfe des Hauses niedergesc­hlagen waren, haben sie als Befreiungs­schlag den ID.3 als Volks-Elektroaut­o ersonnen. Eine solche Revolution braucht Zeit.

Doch eine oft zelebriert­e Nummer wie die Neuauflage des Klassikers Golf muss routiniert und nicht peinlich wie zuletzt über die Bühne gehen. VW bleibt hier bei den Produktion­szahlen hinter den Erwartunge­n zurück. Das Unternehme­n wollte, überehrgei­zig wie Diess ist, zu viel neue Software in das Fahrzeug packen. Das rächt sich. Volkswagen wird nun vorgehalte­n, der US-Autobauer Tesla könne das besser. Doch der Vergleich hinkt: Die Amerikaner bauen nur Elektroaut­os und wenige Modelle. VW hingegen ist ein Vollsortim­enter, der noch Diesel- und Benzinauto­s im Angebot hat. Da erfordert der Ausbau der Elektroflo­tte mehr Kraft. Am Ende wird VW aufholen und Erfolg haben.

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