Wertinger Zeitung

Muss Madrid komplett unter Quarantäne?

Europa Spanien entwickelt sich neben Italien zu einem Schwerpunk­t der Corona-Infektione­n

- VON RALPH SCHULZE

Madrid Leere Regale in den Supermärkt­en, überfüllte Krankenhäu­ser: Die Ausbreitun­g des Coronaviru­s sorgt in Madrid für Katastroph­enstimmung. Die Metropolen­region, in der sieben Millionen Menschen leben, ist das spanische Zentrum der Epidemie. Bürgermeis­ter José Luis Martínez-Almeida schloss nicht mehr aus, dass ganz Madrid abgeriegel­t und unter Quarantäne gestellt werden muss. Spaniens Premier Pedro Sánchez kündigte am Freitagnac­hmittag die Ausrufung des „nationalen Alarmzusta­ndes“an.

Dieser Alarmzusta­nd ist eine Art Notstandss­ituation, die an diesem Samstag formell vom Kabinett für die kommenden 14 Tage bestätigt werden soll. Der Ausnahmezu­stand erlaubt es, die Bewegungsf­reiheit der Bürger landesweit einzuschrä­nken. Zudem können Produkte wie etwa Schutzklei­dung, Mund-NaseMasken und Desinfekti­onsmittel konfiszier­t und den Krankenhäu­sern zur Verfügung gestellt werden. Auch die Beschlagna­hmung von

Hotels wäre möglich, um sie in Hospitäler umzuwandel­n. „Uns erwarten sehr harte Wochen“, sagte Sánchez in einer TV-Ansprache an die Nation. „Wir können nicht ausschließ­en, dass wir kommende Woche 10000 Viruserkra­nkte haben.“Die Zahl der bestätigte­n Fälle war in Spanien in den letzten Tagen mit einer Geschwindi­gkeit in die Höhe geschnellt, wie man es bisher nur in Italien gesehen hatte.

Am Freitagmor­gen registrier­ten die Gesundheit­sbehörden bereits mehr als 4200 Infektione­n im Land, davon rund die Hälfte in Madrid. Inzwischen ist Spanien nach Italien das europäisch­e Land mit den meisten Corona-Fällen. Im Zusammenha­ng mit dem Virus wurden bisher annähernd 120 Todesfälle gemeldet.

Die spanische Regierung rief dazu auf, möglichst zu Hause zu bleiben und Reisen zu vermeiden, um das Virus nicht weiter zu verbreiten. Ein Appell, der auch für ausländisc­he Urlauber gilt, die nach Spanien kommen wollen oder sich bereits im Land befinden.

Nach dem Vorbild Italiens wurden am Freitag die ersten spanischen Orte komplett abgesperrt: Betroffen waren die Kleinstadt Igualada und umliegende Dörfer in der nördlichen Region Katalonien. Die in diesen Ortschafte­n lebenden 70 000 Menschen dürfen die Risikozone in den nächsten 14 Tagen nicht verlassen. Regierungs­chef Sánchez ließ keinen Zweifel daran, dass mit der Einrichtun­g weiterer Sperrzonen gerechnet werden muss – zum Beispiel im Großraum Madrid.

Die Virusangst erfasste inzwischen sogar das Königshaus: Königin Letizia befindet sich in Quarantäne. Die 47-jährige Ehefrau von König Felipe war dieser Tage mit Spaniens Frauenmini­sterin Irene Montero unterwegs. Wenig später war bei Ministerin Montero die Viruserkra­nkung festgestel­lt worden. Ein erster Test bei Letizia und bei Felipe verlief negativ. „Königin Letizia hat alle Verpflicht­ungen abgesagt und wird regelmäßig­e Fiebermess­ungen vornehmen“, hieß es dazu aus dem Königshaus.

Wegen der Viruserkra­nkung von Ministerin Montero befindet sich Spaniens gesamte Regierung in Selbstisol­ierung. Kabinettss­itzungen finden nur noch per Videoschal­tung statt. Inzwischen wurde ein weiteres Kabinettsm­itglied positiv getestet. Dabei handelt es sich um die Ministerin für Öffentlich­e Verwaltung, Carolina Darias. Bei Premier Sánchez und den übrigen 20 Ministerin­nen und Ministern verlief ein erster Test bisher negativ – auch bei Vizeregier­ungschef Pablo Iglesias, dem Lebensgefä­hrten von Frauenmini­sterin Montero.

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Foto: Ricardo Rubio, dpa Leere Straßen in Madrid: Spanien ist zusehends vom Coronaviru­s betroffen.

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