Dienst statt Schlaf
Arbeitswelt Wer ständig zu unterschiedlichen Zeiten oder sogar immer nachts arbeitet, tut seiner Gesundheit keinen Gefallen. Was Nacht- und Schichtarbeit mit uns machen und welche Lösungen es gibt
Bremen Arbeiten, wenn andere schlafen: In Krankenhäusern, bei der Polizei oder in der Industrie zum Beispiel ist das keine Seltenheit. Das macht nicht nur dauermüde, es ist auch ungesund. Das können Nachtoder Schichtarbeiter nur bedingt beeinflussen. Aber es gibt Tipps, wie man mit seinen Arbeitszeiten besser zurechtkommen kann.
Welche Gefahren bestehen für Menschen, die im Nacht- und Schichtdienst arbeiten?
An erster Stelle stehen laut Professor Ingo Fietze, Leiter des Interdisziplinären Schlafmedizinischen Zentrums an der Charité Berlin, Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems wie Bluthochdruck und Herzrhythmusstörungen – zumindest was die Häufigkeit angeht. An zweiter Stelle folgen Stoffwechselerkrankungen. Das können neben Magen-DarmProblemen auch eine Insulinresistenz oder in der Folge Diabetes sein. Das gilt natürlich nicht ab der ersten Frühschicht oder dem ersten Nachtdienst. „Etwa ab dem fünften Jahr wird es gesundheitsgefährdend“, sagt Fietze. Vor allem die Nachtarbeit birgt aber noch mehr Gefahren, wie eine Auswertung der Internationalen Agentur für Krebsforschung der Weltgesundheitsorganisation aus dem Jahr 2019 zeigt: „Auf Basis dessen, was wir jetzt wissen, sind wir zu der Einschätzung gekommen, dass Nachtarbeit wahrscheinlich krebserregend ist“, erklärt Professor Hajo Zeeb vom Bremer Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie.
Aber warum kann die Nachtarbeit derart schädlich sein?
„Nachts erholt sich auch das Immunsystem“, erklärt Fietze. Wer in der Nacht arbeitet und am Tag schläft, der hat somit ein weniger gut funktionierendes Abwehrsystem. Das gilt auch, wenn man den Schlaf tagsüber so gut wie möglich nachholen möchte: „Die Qualität des Schlafs ist am Tag immer schlechter und man schläft kürzer“, so Fietze. Das liegt zum einen daran, dass die Körpertemperatur am Tag höher ist. Außerdem ist der Cortisol-Spiegel, also die Menge des sogenannten Stresshormons, erhöht. Und zu guter Letzt fehlt am Tag, wenn es hell ist, das Schlafhormon Melatonin. Das alles hat zur Folge, dass der Körper nicht richtig zur Ruhe kommt. Manche Menschen kommen damit zurecht, andere nicht. „Es gibt noch keine Prädiktoren, wer Schichtarbeit verträgt und wer nicht“, sagt Fietze. Warnsignale, dass einem Nacht- und Schichtarbeit nicht bekommen, gibt es laut Fietze viele: Man ist unkonzentriert, es passieren vermehrt Fehler oder sogar Unfälle, man ist geistig und körperlich nicht leistungsfähig, man hat schlechte Laune oder das Gedächtnis lässt nach. Dass die Schichtarbeit müde mache, sei hingegen normal, sagt Fietze. „Solange Schichtarbeiter an mehreren freien Tagen oder im Urlaub gut schlafen, ist die Welt noch in Ordnung. Wenn sie in diesen Zeiten genauso schlecht schlafen wie in der Arbeitswoche, dann ist das ein ernst zu nehmendes Warnsignal.“
Wann soll ich auf einen Schichtdienst verzichten?
Besser nicht im Schichtdienst arbeiten sollten Menschen mit ohnehin schon sensiblem oder schlechtem Schlaf, chronisch Kranke, wer einen weiteren Job hat oder familiär sehr eingebunden ist. Und auch das Alter kann ein Problem sein – zumindest, wenn man erst mit über 55 Jahren in einen solchen Arbeitsrhythmus einsteigt. Denn an Nacht- oder Schichtarbeit gewöhnt man sich nicht, sagt Hans-Günter Weeß, Psychologe und Leiter des Schlafzentrums am Pfalzklinikum. „Unsere Schlafgene sind noch die der Steinzeit. Sie wissen nicht, dass wir uns in einer 24-Stunden-Nonstop-Gesellschaft befinden.“
Was, wenn man der Schichtarbeit aber nicht auskommt? Welche Lösungen gibt es?
Die meisten Menschen gelten als sogenannte Eulen: Sie würden am liebsten zwischen 23:30 und 2 Uhr ins Bett gehen und zwischen 7:30 und 9:30 Uhr wieder aufstehen, erklärt Weeß. Gut wäre es deshalb, wenn Menschen, die ohnehin Frühaufsteher sind – die sogenannten Lerchen – die Frühschichten übernehmen würden. Die Langschläfer machen dann dafür den Spät- und Nachtdienst. Wenn in Wechselschichten gearbeitet wird, sei es laut Weeß besser, in kurz rotierenden Schichten zu arbeiten: also zwei Tage Frühdienst, zwei Tage Spätdienst, zwei Tage Nachtdienst und dann eine längere Erholungspause. „So fängt der Körper gar nicht erst an, sich anzupassen“, erklärt Weeß. Wer etwa für jeweils eine Woche eine Schicht übernehme, befinde sich in einer Art Dauer-Jetlag, was langfristig belastender ist. Wichtig sei außerdem, dass die Schichten, die aufeinander folgen, vorwärts rotierend sind. Das heißt: zuerst Frühschicht, dann Spätschicht und dann Nachtschicht.