Den Eckturm der Dillinger Stadtmauer entdeckt
Archäologie Die Ausgrabungen auf der Großbaustelle in der Kapuzinerstraße sollen diese Woche abgeschlossen werden. Wie der Grabungschef die Funde bewertet
Dillingen Als Andreas Heimerl und sein Grabungsteam im Sommer des vergangenen Jahres auf der Großbaustelle in der Dillinger Kapuzinerstraße auf Mauerwerk, Öfen und Tonscherben aus früheren Zeiten stießen, bat der Archäologe um Verständnis für die Bauverzögerung. Mindestens vier Wochen werde es schon noch dauern, um diese bedeutenden Funde zu sichern, hieß es. Beim Bau der beiden Wohn- und Geschäftshäuser seien Verzögerungen leider nicht zu vermeiden. Aus einigen Wochen wurden aber mehrere Monate. Zuletzt haben Heimerl und seine Helfer das Fundament des Eckturms der Stadtbefestigung aus dem Jahr 1674 freigelegt. „Die Fundamente der Stadtmauer sind komplett
freut sich der Archäologe und spricht von einem „super Befund“. Dass die Mauern in dieser Höhe und auf einer solchen Länge erhalten seien, ist nach Worten des Experten außergewöhnlich. Dies liege daran, dass bei den Bauten in der 1960er Jahren in der Kapuzinerstraße diese Mauern als Fundamente verwendet worden seien.
In dieser Woche will der Chef des Augsburger Grabungsbüros die Arbeiten in der Kapuzinerstraße abschließen. Die Stadthaus Dillingen GmbH, in deren Geschäftshaus sich auch ein Müller-Markt niederlassen wird, und die VR-Bank Donau-Mindel, die an dieser Stelle ein zweites Wohn- und Geschäftshaus baut, dürfte dies freuen. Archäologe Heimerl ist mit dem Ergebnis der Ausgrabungen sehr zufrieden. „Wir haben deutlich mehr gefunden, als wir anfangs erwartet haben“, sagt der promovierte Wissenschaftler. Anfangs kamen geziegelte Wasserzisternen und Fundamente aus Kalkstein zum Vorschein – Überreste einer Gartenanlage aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Danach stießen die Ausgräber auf eine spätmittelalterliche Siedlung aus dem 14. und 15. Jahrhundert, die damals außerhalb der Dillinger Stadtmauer lag. Handwerker hätten hier mit Feuer hantiert. Heimerl entdeckte auch einen Brennofen, in dem der Kalk für Mörtel hergestellt wurde. Und die Archäologen legten auf dem Gelände auch die einstige Stadtbefestigung aus dem Jahr 1674 frei. „Wir wussten, dass dort einmal ein Turm gestanden hat. Wir haben aber nicht damit gerechnet, dass dieser Eckturm noch in dieser Form vorhanden ist“, sagt Heimerl. Davor entdeckte sein Team auch einen Palisadengraben, der kurz zuvor errichtet wurde. „Wir rätseln, warum diese beiden Formen der Stadtbefestigung vorhanden sind“, erläutert der Archäologe. Vermutlich hätten die Dillinger zunächst gedacht, dass der Palisadengraben ausreichend sei. Danach, so die derzeitige Hypothese, habe man aber doch mit einer Stadtmauer aufgerüstet.
Die Fundamente des Turms und der Mauer können nicht erhalten werden, informiert Heimerl. „Der Turm steht direkt auf der Zufahrt zur Tiefgarage für die beiden Wohnund Geschäftshäuser.“Das Archäologenteam werde die Fundamente deshalb abtragen und sie auf Spolien – Steine von früheren Bauwerken – untersuchen. Dies sollte bis Donnerstag dauern. Dann könne auch die VR-Bank Donau-Mindel ihren Bau starten.
VR-Bank-Vorstand Alexander Jall sagt, dass die Baustelle angesichts der Corona-Krise nicht das drängendste Problem sei. Denn der Banker sieht die Gefahr, dass die gesamte Weltwirtschaft in eine tiefe Rezessierhalten“, on schlittert. Auch in seinem Unternehmen seien alle Bereiche von der gegenwärtigen Ausnahmesituation betroffen. Im Landkreis Dillingen halte die VR-Bank Donau-Mindel derzeit nur noch die Filialen in Dillingen, Gundelfingen und Bachhagel geöffnet, die anderen seien vorübergehend geschlossen.
Die Ausgrabungen, so Jall, hätten den Bau des Wohn- und Geschäftshauses der VR-Bank um etwa vier Monate verzögert. Ursprünglich sollte das Projekt im Frühjahr 2021 fertig sein. Jall rechnet nun damit, dass es September werden wird. Die reinen Grabungskosten lägen bei mindestens 80000 Euro. Hinzu kämen Kosten, die durch diese Verzögerung entstehen. Die Stadthaus Dillingen, eine Tochter der ActivGroup, habe ihr Projekt in diesem milden Winter vorantreiben und die bei den Ausgrabungen verlorene Zeit ein wenig wettmachen können.
Doch jetzt droht wegen Corona neues Ungemach. Jall informiert, dass es nächste Woche zu einem Baustopp kommen könnte. Der Grund: Osteuropäische Mitarbeiter des Generalunternehmers, der die beiden Wohn- und Geschäftshäuser errichtet, können nach Informationen unserer Zeitung nicht einreisen. Jall sagt: „Das Problem mit den Ausgrabungen haben wir jetzt gelöst, nun tritt ein anderes mit voller Wucht auf.“