Wertinger Zeitung

Die Bundeswehr als Freund und Helfer in der Viruskrise

Hintergrun­d Die Streitkräf­te starten mit 15 000 Frauen und Männern den größten Inlandsein­satz ihrer Geschichte. Doch es gibt Grenzen

- VON SIMON KAMINSKI

Augsburg Die Bundeswehr ist fertig mit ihren Vorbereitu­ngen. Einsatzber­eit, wie man beim Militär sagt. „Gewehr bei Fuß“wäre allerdings das falsche Bild. Denn dieser Gegner ist mit Geschossen nicht zu stoppen. Waffen wären nur im Wege, wenn es – wie der Wehrbeauft­ragte des Bundestage­s, Hans-Peter Bartels, es einordnet – bei der Unterstütz­ung im Kampf gegen die Ausbreitun­g des Coronaviru­s um „den größten Einsatz im Inneren in der Geschichte der Bundeswehr“geht.

Angesichts dieser Dimension wirken manche Anforderun­gen, die die Streitkräf­te in diesen Tagen erfüllen sollen, auf den ersten Blick eher kleinteili­g. So begannen am Mittwoch 50 Soldaten in der Julius-Leber-Kaserne in Berlin-Wedding, eine vom Fraunhofer-Institut entwickelt­e Smartphone-App zur Nachverfol­gung möglicher VirusInfek­tionen zu testen. Deutlich mehr Personal wird die Truppe einsetzen müssen, um einen Auftrag der Bundesregi­erung erfüllen zu können. Es geht um die Beschaffun­g medizinisc­her Schutzausr­üstung.

Die Anfragen prasseln seit Tagen nur so auf die Planungsle­itstellen der Streitkräf­te ein. Mehr als 250 Anträge auf Unterstütz­ung sind bereits registrier­t. Besonders begehrt sind Ärzte, Pflegekräf­te, die bei den Streitkräf­ten arbeiten, und die medizinisc­he Ausrüstung, über die die Truppe verfügt. Viele Wünsche aus dem Gesundheit­sbereich muss die Bundeswehr jedoch ablehnen, weil Personal und Material für die deutschlan­dweit fünf Bundeswehr­krankenhäu­ser benötigt werden. Auch diese Kliniken werden schließlic­h benötigt, um Infizierte mit einem schweren Krankheits­verlauf zu behandeln.

In Berlin wird derzeit genau registrier­t, dass sich Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU) öffentlich spürbar zurückhält, wenn es um die Rolle der Bundeswehr in der Krise geht. Das dürfte mit Bedacht geschehen. Der

Wehrbeauft­ragte Bartels skizziert die Aufgabenst­ellung im Gespräch mit unserer Redaktion entspreche­nd: „Die Streitkräf­te stehen nicht in der ersten Reihe, dort stehen die Gesundheit­seinrichtu­ngen, die Behörden und zivilen Helfer. Die Bundeswehr unterstütz­t die Maßnahmen mit ihren Krankenhäu­sern, Sanitätsei­nheiten, Transporte­n oder helfenden Händen, wo immer sie gebraucht werden.“

Welche Kapazitäte­n kann die Truppe dafür aufbieten? „Aktuell stehen 15000 Frauen und Männer der Bundeswehr bereit, um den Kampf gegen das Coronaviru­s zu unterstütz­en. Dieses Kontingent kann ausgeweite­t werden.“Das liege auch daran, dass ein Aufruf an die Reserviste­n ein „überwältig­endes Echo“gefunden habe. Von den 5000, die sich gemeldet hätten, sei „eine niedrige dreistelli­ge Zahl bereits im Einsatz“. Die Truppe hat zudem eine imposante Fahrzeugfl­otte. Über 7500 Lastwagen stehen bereit für Transporte aller Art, bei großflächi­gen Desinfekti­onen oder dem Verteilen von Hilfsgüter­n.

Allerdings achtet die Logistikbr­anche genau darauf, dass es auch Grenzen für das Bundeswehr-Engagement auf der Straße gibt. So reagierte der Bundesverb­and Spedition und Logistik auf einen Vorschlag aus der Politik, die Bundeswehr einzusetze­n, um die Lebensmitt­elversorgu­ng zu sichern, wenig begeistert: Gut gemeint, aber nicht nötig, die Logistik sei auch ohne Militär handlungsf­ähig, hieß es auf Anfrage unserer Redaktion.

Um eine Diskussion auf einem weit brisantere­n Feld gar nicht erst aufkommen zu lassen, ließ KrampKarre­nbauer – auch mit Verweis auf die Rechtslage – keinen Zweifel daran, dass es ausgeschlo­ssen sei, dass Soldaten Ausgangsbe­schränkung­en oder andere Verstöße gegen die Anordnung in der Viruskrise überwachen würden. „Die öffentlich­e Sicherheit bleibt in den Händen der

Polizei“, sagt der SPD-Politiker Bartels dazu knapp und bestimmt.

Natürlich ist auch innerhalb der Truppe der Schutz vor Ansteckung ein Thema. Bartels: „In den Kasernen gelten besondere Vorsichtsm­aßnahmen gegen das Virus, um die Einsatzber­eitschaft zu sichern. Die Truppe arbeitet in Schichten, die sich nicht begegnen, um eine Ausbreitun­g zu verhindern. Möglichst viele Soldaten schlafen zu Hause.“Die Einsätze im Ausland würden weiterlauf­en, allerdings „unter erschwerte­n Bedingunge­n“wegen des Infektions­risikos mit den Quarantäne­regeln.

Unstrittig ist, dass die Viruskrise fatale ökonomisch­e Verwerfung­en mit sich bringen wird. Ist damit das umstritten­e Zwei-Prozent-Ziel vom Tisch? Also die Nato-Vorgabe, wonach jedes Mitgliedsl­and anstreben muss, zwei Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s (BIP) für Verteidigu­ng auszugeben. „Das ist ja das schwer Greifbare an dieser Zielvorgab­e. Sollte die Wirtschaft im Zuge der Viruskrise einbrechen, sind die zwei Prozent deutlich schneller zu erreichen, was aber niemandem wirklich hilft“, sagt der Wehrbeauft­ragte Bartels. Die „riesengroß­en materielle­n Lücken der Bundeswehr“werde es schließlic­h auch nach der Krise geben. Immerhin würden „Verteidigu­ngsinvesti­tionen dann auch der Wirtschaft insgesamt zugutekomm­en“.

 ?? Foto: Klaus-Dietmar Gabbert, dpa ?? Soldaten des Logistikba­taillons 171 verladen in Magdeburg medizinisc­he Schutzausr­üstung auf Fahrzeuge der Bundeswehr.
Foto: Klaus-Dietmar Gabbert, dpa Soldaten des Logistikba­taillons 171 verladen in Magdeburg medizinisc­he Schutzausr­üstung auf Fahrzeuge der Bundeswehr.

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