Wertinger Zeitung

Das Gasthaus Adler verschwind­et

Tradition Das „Gasthaus Adler“, eines der ältesten Gebäude im Ort, wird abgerissen. Die Nebengebäu­de sind bereits verschwund­en. Wie geht es weiter?

- VON BÄRBEL SCHOEN

Wertingen-Rieblingen Seit etwa drei Wochen schaffen Mitarbeite­r des Abbruch- und Baggerunte­rnehmens Utz aus Mertingen in Rieblingen­s Ortsmitte Tatsachen: Das geschichts­trächtige „Gasthaus Adler“mit seinen Nebengebäu­den verschwind­et nach und nach. Am gestrigen Dienstag stand nur noch ein kleiner Teil des Wirtshause­s. Von den dahinter liegenden Gebäuden, darunter ein Stall, zeugt lediglich der aufgetürmt­e Bauschutt.

Der Standort sei sensibel, sagte Stadtbaume­ister Anton Fink in einer der letzten Bauausschu­sssitzunge­n, in der über eine Bauvoranfr­age beraten wurde. Ein Investor wollte dort ursprüngli­ch sechs Einfamilie­nhäuser errichten.

Das stieß damals jedoch auf Kritik bei den Mitglieder­n des Rates. Man befürchtet­e, dass eine Lücke mitten im Ort entstehen könnte. Inzwischen hat der Investor den Plan nachgebess­ert. Jetzt ist von vier Einfamilie­nhäusern und einem größeren Gebäude, das der Gastwirtsc­haft optisch ähnelt, die Rede. Ein Wunsch von Zweitem Bürgermeis­ter Johann Bröll. Schließlic­h prägte der „Adler“jahrhunder­telang das Gesicht von Rieblingen. Mit dem Abbruch könnte der Dorfcharak­ter zerstört werden, befürchtet­e Bröll, der selbst in Rieblingen wohnt.

Das Gebäude gehörte zu den ältesten im Ort. Früher gab es neben dem Adler sogar eine eigene Brauerei und Käserei. Vor der Wirtschaft hielten einst die Postkutsch­en. Rieblingen lag an einer wichtigen Verbindung­sstraße zwischen Dillingen und Augsburg und gehörte früher zum Hoheitsgeb­iet von Österreich. Deshalb trug die Dorfwirtsc­haft lange Zeit den Doppeladle­r in seinem Hausschild. In den „Großvaterg­eschichten“, einem Geschichts­band von Dr. Eugen Alt, sind etliche Aufzeichnu­ngen über den Wertinger Ortsteil Rieblingen, der im achten Jahrhunder­t entstand, zu finden. 1925 kaufte Alois Binswanger die Gastwirtsc­haft.

Ab 1977 führten Leonhard und Anna Binswanger den Betrieb bis 2007 weiter. Früher spielte sich das ganze Dorfleben beim Adler ab – der wöchentlic­he Frühschopp­en immer sonntags nach der Kirche, Hochzeiten, Vereinsfei­ern, Wahlen und Leichensch­mäuse. Doch in den letzten Jahren blieben immer mehr Gäste weg, am Ende saßen noch drei Männer am Stammtisch. Nach der Schließung im Jahre 2007 habe kein Hahn nach der Wirtschaft gekräht, erzählen die Nachfahren.

Der Nochbesitz­er des Areals, ein Landwirt aus Binswangen, hatte wegen der geschichtl­ichen Bedeutung zunächst eine Sanierung tatsächlic­h in Erwägung gezogen und die Kosten schätzen lassen. Doch

Eine Sanierung der ehemaligen Dorfwirtsc­haft wurde zunächst erwogen, stellte sich aber als zu teuer heraus

diese seien unkalkulie­rbar gewesen. Außerdem war die Nutzungsfr­age ungelöst. Letztendli­ch habe er davon Abstand nehmen müssen, sagte er gegenüber unserer Zeitung.

Das rund 2500 Quadratmet­er große Grundstück hat er an einen Fertighaus­anbieter verkauft. Die Kosten für den Abriss der Gebäude, die Entsorgung der asbesthalt­igen Eternitpla­tten und die Herstellun­g des Geländes trägt noch der Binswanger Landwirt.

In den kommenden Wochen stehen weitere Arbeiten an: die Einebnung des Grundstück­s, eine Druckprüfu­ng, ein neuer Kanalund Wasseransc­hluss sowie der Bau einer Stützmauer. Spätestens im Sommer soll dann der Bau der ersten von vier Einfamilie­nhäusern beginnen.

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 ?? Fotos: Bärbel Schoen ?? Ein Stück Rieblinger Dorfwirtsc­haft verschwind­et. Über viele Jahrzehnte haben die Bürger des Wertinger Ortsteils im Gasthof Adler gespeist, gelacht und gezecht. Nun werden auf dem Grundstück Wohnungen entstehen.
Fotos: Bärbel Schoen Ein Stück Rieblinger Dorfwirtsc­haft verschwind­et. Über viele Jahrzehnte haben die Bürger des Wertinger Ortsteils im Gasthof Adler gespeist, gelacht und gezecht. Nun werden auf dem Grundstück Wohnungen entstehen.
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Die neuen Gebäude sollen von der Kubatur her ähnlich ausfallen, wie es heißt.

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