Wie Corona eine große Familie trifft
Covid-19 Familie Finger aus Höchstädt besteht aus acht Personen, der Alltag in der Isolation fällt trotzdem leicht – bis es vor die Tür geht
Höchstädt Wenn man Katja Finger fragt, was sich bei ihr Zuhause in den vergangenen Wochen verändert hat, sagt sie knapp: „Es ist voll geworden.“Voll, das heißt für die Höchstädterin, dass sie sich das Haus wahlweise mit sieben bis neun weiteren Personen teilt. Mama, Papa, sechs Kinder, von denen zwei aus dem Studium nach Hause gekommen sind, und die Partner der ältesten, die – übrigens erlaubterweise – zu Besuch vorbeischauen. Wie man sich in einer so großen Familie arrangiert, ohne dass es zu Konflikten kommt? Ganz einfach: „Hier hat jeder was zu tun.“Die Eltern gehen zur Arbeit, die ältesten Kinder lernen fürs Studium oder das Abitur, die jüngeren für die Schule und wenn es die Zeit hergibt, spielt die Familie Brettspiele. Und: „Wenn man für so viele Leute kocht, dauert das. Da kann man den ein oder anderen schon mitbeschäftigen“, witzelt Mama Katja. Der Fernseher bleibe den ganzen Tag über aus, den brauche niemand. Einsamkeit komme ohnehin nicht auf. An das Virus verschwenden die Familienmitglieder kaum mehr Gedanken als nötig. „Unser Vorteil ist, dass wir viele andere Dinge zu tun haben und nicht nur an Corona denken. Alleinstehenden geht es da anders.“
Man merkt: Die Familie kommt mit den aktuellen Einschränkungen wegen der Krise gut zurecht. Zumindest, solange sie drin bleibt. Denn draußen machen Fingers die Reaktionen vieler Mitmenschen zu schaffen. Die kriegt Katja Finger etwa im
Supermarkt zu spüren: „Bei uns ist ein normaler Einkauf das, was andere Hamstern nennen“, erzählt sie. Die Folge: Immer wieder werde sie komisch angeschaut. Doch die Familie erzählt von noch drastischeren Reaktionen: Als die Kinder neulich gemeinsam beim Inliner fahren waren, ernteten sie nicht nur böse Blicke. So mancher Lkw- und Autofahrer hupte sie an, Spaziergänger äußerten Sätze wie: „Ich an Ihrer Stelle würde das nicht so auf die leichte Schulter nehmen.“Dabei betonen Fingers, sich an alle Vorgaben zu halten.
Die Familie trafen diese Reaktionen deshalb unerwartet. Manche derer, die sie angesprochen haben, wollten ihnen nicht einmal glauben, dass sie wirklich alle zu einer Familie gehören. Die Kinder fassen die Konfrontation mit einem Spaziergänger in einem Brief an unsere Zeitung so zusammen: „Er nahm ganz selbstverständlich an, besser als wir zu wissen, wer von uns wirklich zu uns gehört. Das ist doch sehr anmaßend.“Und Mama Katja schließt aus den Reaktionen: „Die Leute werden eben nicht netter mit Corona.“
Dass die Höchstädter Familie größer ist als die deutsche Durchschnittsfamilie, das habe früher niemanden gestört. Doch mittlerweile haben Fingers sogar ihre üblichen Spazierrouten geändert. Statt durch Höchstädt und in die nahe Umgebung, gehe es jetzt in den Wald bei Finningen, wo weniger Menschen unterwegs sind. Rausgehen will die Familie trotzdem auch weiterhin. Ein wenig Bewegung müsse auch in Zeiten von Corona sein, um nicht gleich einen Lagerkoller zu kriegen.
Mama Katja sagt: „Es wäre schön, wenn die Leute auch jetzt akzeptieren könnten, dass es auch größere Familien gibt.“Und die Kinder fassen in ihrem Brief einen nicht ganz ernst gemeinten Entschluss: „Nächstes Mal müssen wir wohl unsere Geburtsurkunden mitnehmen. In Großformat, auf Plakate, für die hupenden Lkw-Fahrer.“
Rausgehen will die Familie auch weiterhin