Von „Schwachsinn“bis „passt schon“
Fußball Wie Fußball-Trainer aus der Region über Fortsetzung der Saison 2019/2020 ab September denken. Nicht überall kommt das beschlossene Modell an
Region Wertingen Rund 4300 Vereine hatte der Bayerische FußballVerband (BFV) am vergangenen Wochenende zur Abstimmung aufgerufen. Die Vereinsverantwortlichen sollten mitentscheiden, wie mit der laufenden Saison verfahren werden sollte: Die Klubs sprachen sich beinahe mit einer Zweidrittelmehrheit für den Weg aus, den der BFV vorgeschlagen hatte: Unterbrechung der Saison bis 31. August, Fortsetzung der Spielzeit frühestens am 1. September. 68 Prozent der Vereine, die abgestimmt hatten, waren für den Vorschlag.
Gar nichts anfangen mit dieser Regelung kann Trainer Christoph Kehrle vom Bezirksligisten TSV Wertingen. „Ginge es nach mir, hätte ich die Saison abgebrochen“, sieht der Übungsleiter wenig Sinn, knapp zehn Monate nach dem letzten Punktspiel Ende November 2019 einen Wettbewerb fortzusetzen. Die Spannung bis zum Neustart im September sei nicht aufrecht zu halten. Erst recht nicht, wenn die Saison eine Fortsetzung erst im März 2021 zulasse. Kehrle: „Für mich ist die getroffene Regelung einfach nur Schwachsinn.“Auch weil durch den Nicht-Abbruch der Saison nun im Sommer keine Transfers durchgeführt werden können. Spieler und Trainer, die sich auf einen Wechsel eingestellt hatten, müssen nun länger warten. In Zeiten einer Pandemie, so der Wertinger Coach, stehe die Gesundheit der Menschen über alles. Deshalb soll erst wieder Fußball gespielt werden, wenn kein Ansteckungsrisiko mehr bestehe. Dass die Bundesliga die Saison mit Geisterspielen und ständigen Gesundheitstest fortsetzen möchte, ist für Christoph Kehrle wenig nachvollziehbar. „Warum soll zum Beispiel ein Thomas Müller mehr wert sein als irgend ein Spieler von uns?, fragt er sich kopfschüttelnd und hofft, dass der Ball in den Stadien der oberen Ligen im Mai nicht zum Rollen kommt.
Ein Saisonabbruch bei keinen Absteigern hätte dem FC Osterbuch die Gewissheit gebracht, dass er als Tabellenletzter auch im kommenden Spieljahr in der A-Klasse antreten dürfte. Doch darauf hat Spielertrainer Sebastian Girke nicht spekuliert. „Ich bin froh, dass ab September weitergespielt werden soll.“Mit zwei Spielen in Rückstand gegenüber den Abstiegskonkurrenten habe man es sportlich selbst in der Hand, noch das rettende Ufer zu erreichen. „Es passt schon, wie seitens des BFV entschieden wurde“, ist sich Girke mit seinen Schützlingen einig. Diese bekommt er derzeit allerdings selten zu Gesicht. Kontakte sind zu Corona-Zeiten meist nur per Telefon oder über soziale Medien möglich. Wann der FCO-Coach seine Truppe wieder auf den Platz zu sehen bekommt, könne er nicht einschätzen. Man dürfe nach seiner Ansicht auf keinen Fall ein Risiko eingehen und müsse einfach geduldig bleiben. „Die Gesundheit steht über allem“, so Girke. Sollten Spiele ab September möglich sein, benötige man mindestens drei Wochen Vorbereitungszeit. Will heißen, dass er dann seine FCO-Kicker bereits ab August auf dem Platz haben möchte. Geisterspiele in der Bundesliga hält Girke für nicht angebracht. Er befürchtet, dass sich bei Begegnungen die Fans vor den Stadien treffen könnten und dann die Abstandsempfehlungen von eineinhalb bis zwei Meter von Mensch zu Mensch nicht eingehalten würden.
Bis vor einer Woche war Andreas Seiler, Trainer beim SV Wortelstetten noch fest überzeugt, dass die Saison abgebrochen wird. Er hätte die Tabellenführer in den einzelnen Ligen aufsteigen lassen, absteigen hätte niemand müssen. Doch es kommt bekanntlich anders. „Jetzt spielen wir halt ab September die
Runde zu Ende“, nimmt der 44-Jährige die geschaffenen Tatsachen an. Welches Niveau dann allerdings nach einem dreiviertel Jahr Punktspielpause von den Mannschaften geboten wird, kann er nur schwer einschätzen. Manche Teams werden nach seiner Ansicht aber bis zu 50 Prozent vom Leistungsvermögen eingebüßt haben. Dass es in fünf Monaten mit der Fortsetzung der Spiele nicht klappt, kann sich Seiler nicht vorstellen. „Irgendwann muss es ja weitergehen“, sieht der Coach des SV Wortelstetten den September als durchaus möglichen Starttermin. Allerdings rechnet Seiler damit, dass dann ich im Fußball ein neuer Alltag beginnt. So werden sich die Spieler vor dem Anpfiff eventuell nicht mehr mit den Händen abklatschen und beim Torjubel keinen Körperkontakt suchen. Die Corona-Krise habe für ihn nicht nur Nachteile als Trainer gebracht. „Früher hätte ich mir einen Sonntag ohne Fußball gar nicht vorstellen können, jetzt weiß ich, dass es trotzdem geht“, lächelt Seiler. Mehr Zeit für das Mittagessen und die Familie zu haben, das hat es bisher nur in der Winterpause oder für wenige Wochen im Sommer gegeben. Irgendwie hat sich der SVW-Coach an den Alltag ohne Fußball gewöhnt. Auf Dauer würde er die schönste Nebensache der Welt dann aber doch wieder vermissen.
„Ich bin froh, dass ab September weitergespielt werden soll.“
Sebastian Girke, FC Osterbuch