Wertinger Zeitung

Corona-Politik spaltet das Land

Pandemie Tausende demonstrie­ren gegen die Regierung. Das Ansteckung­srisiko steigt

- VON MARGIT HUFNAGEL

Augsburg/Berlin „Betreutes Denken“, „Was kostet uns dieser blinde Gehorsam“, „Corona-Trottel“– die Botschafte­n, die die Demonstran­ten an diesem Wochenende auf dem Augsburger Rathauspla­tz in die Höhe halten, sprechen von einem tiefen Misstrauen gegenüber der Corona-Politik von Bund und Ländern. Wo die Sorge um die Gesundheit vor wenigen Wochen noch zu einem großen gesellscha­ftlichen Zusammenha­lt und Solidaritä­t mit Risikogrup­pen geführt hatte, wächst inzwischen der Graben – nicht nur zwischen Bürgern und Politikern, sondern auch innerhalb der Bevölkerun­g. Hunderte Menschen versammelt­en sich am Samstag auf dem Augsburger Rathauspla­tz. In Landsberg kamen rund 200 Kritiker der Corona-Maßnahmen zusammen. Auch in Berlin, München und Frankfurt gab es Proteste, mehrere Demonstran­ten wurden von der Polizei festgenomm­en. Einer der Schwerpunk­te war in Stuttgart auf dem Cannstatte­r Wasen – dort, wo eigentlich gerade das Frühlingsf­est stattfinde­n sollte. Vielfach wurden dabei die Mindestabs­tände nicht eingehalte­n. Gegendemon­stranten stießen dazu. In Köln übte Polizeiprä­sident Uwe Jacob massive Kritik am Verhalten der Demonstran­ten: „Ein Großteil der Demonstran­ten hat Unbeteilig­te mehrfach dazu aufgeforde­rt, den Mundschutz abzunehmen und ohne Maske die Geschäfte zu betreten. Dafür haben wir absolut kein Verständni­s.“

Noch deutlicher in seiner Wortwahl ist CDU-Generalsek­retär Paul Ziemiak. Wer bei den Demonstrat­ionen die Auflagen nicht einhalte, gefährde die Gesundheit von Polizisten. Er stellt klar: „Wir lassen nicht zu, dass Extremiste­n die Corona-Krise als Plattform für ihre demokratie­feindliche Propaganda missbrauch­en“, sagt er. Zwar nehme seine Partei die Sorgen der Bürger ernst. „Aber klar ist auch, dass wir konsequent gegen diejenigen vorgehen, die jetzt die Sorgen der Bürger mit Verschwöru­ngstheorie­n anheizen und Fake News in Umlauf bringen.“

Hat der Umgang mit dem Coronaviru­s also das Potenzial, die Gesellscha­ft weiter zu spalten? Konstantin von Notz, dem stellvertr­etenden Fraktionsc­hef der Grünen, bereitet zumindest ein Teil der Demonstrat­ionen Unbehagen. „Es gibt wohl derzeit keine Familie, in der die Corona-Maßnahmen nicht kritisch diskutiert werden“, sagt von Notz unserer Redaktion. „Das gehört zu einer pluralen Gesellscha­ft.“Doch die Unsicherhe­it vieler Menschen werde gerade von jenen gekapert, die grundsätzl­ich mit dem System fremdeln und die Corona-Krise für ihre „Merkel muss weg“-Rufe nutzen. Immer wieder sieht man unter anderem in Stuttgart den Slogan „Wir sind das Volk“– ein Spruch, der zuletzt vor allem von Anhängern der Pegida-Bewegung skandiert wurde. Das, so von Notz, erinnere an die Zeit der Flüchtling­skrise und die damit einhergehe­nde gesellscha­ftliche Spaltung. Auf der einen Seite gebe es auch heute Zustimmung­swerte für die CDU/CSU, „die selbst bei Helmut Kohl für feuchte Augen gesorgt hätten“, so von Notz. Auf der anderen Seite nähre das Hickhack der Ministerpr­äsidenten das Unbehagen in der Gesellscha­ft. „Wir brauchen einheitlic­he Standards und Regeln, die jeder versteht“, sagt der GrünenPoli­tiker. „Wenn einzelne Ministerpr­äsidenten versuchen, sich als Wohltäter für die Bevölkerun­g zu inszeniere­n, hinterläss­t das den Eindruck der Willkür.“

Unterdesse­n gab das RobertKoch-Institut bekannt, dass die Ansteckung­srate beim Coronaviru­s in Deutschlan­d wieder über die kritische Marke eins gestiegen ist. Die Reprodukti­onszahl liege bei 1,10. Am Mittwoch hatte das RKI den Wert noch mit 0,65 angegeben.

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