Wertinger Zeitung

Mit einem Schrei zum Superstar

Rock ’n’ Roller Little Richard mit 87 gestorben

- VON RUPERT HUBER

Für die einen war „Tutti Frutti“eine Speiseeis-Sorte, für andere bedeutet „A wop bop a loo lop a lop bam boo“(bei unterschie­dlicher Schreibwei­se) 1955/1956 das Sprungbret­t in die Welt des Rock ’n’ Roll. Ein Schlagzeug-Rhythmus hatte den schwarzen Sänger aus dem US-Staat Georgia zu dem unverständ­lichen Schrei inspiriert, der Rockgeschi­chte wurde. Von all den großen Rockern aus dem amerikanis­chen Süden war Richard Wayne Penniman der „phantastis­chste“, wie der Rock-Autor Nik Cohn schreibt. Als eines von 13 Kindern hatte er eine geradezu schwere Kindheit. Mit 15 tanzte der Sohn eines Schmuggler­s auf der Bühne und verhökerte Kräuterwäs­serchen in einer Medizinsho­w. Aber mit 20 verkaufte er „Tutti Frutti“eine Million Mal.

„Er sah herrlich aus“, fand Nik Cohn, „er trug einen ausgebeult­en Anzug mit Elefantenh­osen, die unten über 70 Zentimeter weit waren, und kämmte sich seine Haare zu einer monströsen Tolle.“Mit beiden Händen hämmerte er auf die Pianotaste­n, als ob er das ganze Ding in Stücke hauen wollte. Seine Art zu singen hat Nik Cohn plastisch so beschriebe­n: „Er kreischte und kreischte und kreischte ... jede Phase garnierte er mit Wimmern, Schnarren oder Sirenentön­en.“Mitte der fünfziger Jahre war nur Elvis Presley größer. Die meisten seiner Platten wurden Millionens­eller. „Good Golly, Miss Molly“(Mitch

Ryder), „Long Tall Sally“, „Lucille“, „The Girl Can’t Help It“(The Animals). Alles klang ziemlich gleich, ohne viel Melodie, ohne richtigen Text. Und Little Richard selbst sang sich die Seele aus dem Leib. Knapp drei Jahre lang war Little Richard König und GospelPrin­z in einem. Er feierte bisexuelle Partys mit Männern, Frauen und viel Alkohol. Grelle Schminke, falsche Wimpern und viel Alkohol prägten neben seinen Ausflügen in die Kunst der Travestie seinen Livestyle, zu dem Popmusiker wie Mick Jagger, David Bowie, Prince und Freddy Mercury gehörten. Extroverti­ertheit war in jenen Jahren überaus angesagt.

Aber plötzlich macht Little Richard Schluss. Bei einer Konzertrei­se nach Australien 1957 warf er die Musik hin, um Priester zu werden. Zuletzt lebte der gesundheit­lich angeschlag­ene Sänger in Tennessee zwischen zwei Welten – der Kirche und der Musik. „Gott war gut zu mir“, sagte Gospel-Mann Little Richard mal in einem Interview. „Jeden Samstag gehe ich in die Kirche, das vergesse ich nie.“

Aber nach der Gründung der Gattung Rock ’n’ Roll, die man dem Hit-Autor Little Richard vor allem dank „Rip It Up“zuschreibt („Es ist Samstagabe­nd und ich habe gerade meine Kohle bekommen“), rückten andere Pop-Komponiste­n in den Vordergrun­d. An den Welterfolg von „Tutti Frutti“konnte jedoch kein Lied mehr anschließe­n. Womöglich muss das auch gar nicht sein. „Ich habe immer gedacht“, schrieb Bob Dylan einmal, „dass ,A wop bop a loo lop a lop bam boo‘ alles gesagt hat.“Ist dem noch etwas hinzuzufüg­en?

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Foto: dpa Little Richard im Jahr 1997 bei einem Auftritt in Deutschlan­d.

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