Wertinger Zeitung

Schneller als die Sportricht­er

Schwarze Schafe des Sports Justin Gatlin stand drei Mal unter Dopingverd­acht. Doch der Sprinter holte immer das Optimum heraus – auf der Bahn wie vor Gericht (Serie, Teil 22)

- VON CHRISTOF PAULUS Telegraph

Schon bevor Justin Gatlin zum Sprintstar wurde, war er Doper. Sprintstar, das wurde er 2004, bei den Olympische­n Spielen. Am Start des 100-Meter-Finales war er nicht der Topfavorit, kam mit der viertbeste­n Zeit nach Athen, startete auf Bahn drei. 9,85 Sekunden später kannten ihn Fans auf der ganzen Welt. Justin Gatlin war Olympiasie­ger. Der schnellste Mensch der Welt. Ein Jahr danach holte der USAmerikan­er Gold bei der Weltmeiste­rschaft in Helsinki über 100 und 200 Meter. Da war er gerade einmal 23 Jahre alt. Und eigentlich wäre seine Karriere mit 24 vorbei gewesen.

Denn Gatlin ist nicht sauber. Schon 2001, als Junior, erwischen ihn die Kontrolleu­re mit einem Test bei einer nationalen Meistersch­aft. Gatlin wird ein Jahr gesperrt – dabei hätten es auch gut zwei sein können. Er findet aber, eine Warnung hätte es auch getan. Das Testergebn­is sei Resultat einer Medikation, die bis in seine Kindheit zurückreic­ht, sagt er. Er leide unter Aufmerksam­keitsdefiz­it-Syndrom. Die Sportricht­er finden die Begründung weder überzeugen­d noch fadenschei­nig, machen einen Kompromiss: Sie halbieren die übliche Sperre von zwei Jahren auf eines. Aber Gatlin hat den Warnschuss offenbar nicht gehört. 2006 fällt er erneut auf. Und Wiederholu­ngstäter werden lebenslang gesperrt, auch wenn sie inzwischen Weltmeiste­r und Olympiasie­ger sind. Eigentlich.

Gatlin findet sein Schlupfloc­h, macht einen Deal mit der Anti-Doping-Behörde der Vereinigte­n Staaten. Eine Aussage als Kronzeuge gegen seinen bisherigen Trainer Trevor Graham bringen diesen um seine Trainerliz­enz und in Hausarrest.

Gatlin kommt um eine lebenslang­e Sperre herum, wird zunächst für acht Jahre gesperrt. Später halbieren die Sportricht­er das Urteil auf vier Jahre.

Der Deal wirft heute noch Fragen auf, über zehn Jahre danach. Skilangläu­fer Johannes Dürr, der als

Kronzeuge gar ein ganzes Dopingnetz­werk ausgehoben hatte, ist im September verurteilt worden. Auch der Österreich­er ist Wiederholu­ngstäter – und aus dem Sport für immer verbannt.

Gatlin hingegen kehrt 2010 auf die Laufbahn zurück. Mit 28, im besten Sprinteral­ter, startet er seine zweite Karriere. Und die wird nicht weniger erfolgreic­h als die erste. 2017 holt er bei der WM seine dritte Goldmedail­le, siegt über 100 Meter.

Dabei schlägt er Superstar Usain

Bolt. Zuvor hatte er in London und Rio mit Bronze und Silber seine olympische Medaillens­ammlung über 100 Meter komplettie­rt.

Er schlägt seine bisherige Bestzeit von 9,77 Sekunden, die er nachweisli­ch gedopt gelaufen war. Wäre da nicht meist Bolt vor ihm, Gatlin hätte die vergangene Dekade über 100 Meter dominiert. Doch Zweifel sind seine ständigen Begleiter. Kurz nach seinem Sieg über Bolt veröffentl­icht die britische Tageszeitu­ng einen Investigat­iv-Bericht, wonach Gatlins Trainer den Reportern angeboten habe, Dopingmitt­el zu beschaffen. Sein Berater habe zudem angegeben, dass Gatlin dopt. Der bestreitet das, feuert seinen Trainer. Die Behörden leiten Ermittlung­en ein.

Bis heute sind diese ohne Ergebnis. Auch der dritte Doping-Eklat kann Justin Gatlin nicht aufhalten. Bei der vergangene­n WM in Doha tritt er erneut an, trotz heftiger Proteste. Der 37-Jährige ist mit Abstand ältester Starter im 100-MeterFinal­e. Er holt trotzdem Silber. Und noch einmal Gold: Team USA siegt in der Staffel.

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Foto: dpa Schnell aber nicht sauber: der US-Sprinter Justin Gatlin.

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