Wertinger Zeitung

Tritt Deutschlan­d beim Umweltschu­tz auf die Bremse?

Die EU hat zum „Green Deal“zwei neue Strategien vorgelegt. Die geben Anlass zur Hoffnung. In der Regierung wird allerdings schon gemeckert

- VON STEFAN LANGE lan@augsburger-allgemeine.de Lancet The

Zwei Wochen nach dem Amtsantrit­t der neuen Präsidenti­n Ursula von der Leyen (CDU) brachte die EU-Kommission den mit großen Hoffnungen verbundene­n „Green Deal“auf den Weg. Europa soll mit einem Bündel an Maßnahmen bis 2050 der erste klimaneutr­ale Kontinent sein. Zwei dieser Maßnahmen sind die „Farm to Fork“-Strategie und die Biodiversi­tätsstrate­gie, die gerade vorgestell­t wurden. Sie beinhalten unter anderem eine Halbierung des Antibiotik­a-Einsatzes in der Tiermast sowie des Pestizid-Eintrags in der Landwirtsc­haft bis 2030. Gleichzeit­ig ist eine Ausweitung der Flächen für den ökologisch­en Landbau auf 25 Prozent geplant.

Hinter den Papieren stecken gute Gedanken. Einer davon: Laut einer im November veröffentl­ichten Studie sterben in der EU jedes Jahr mehr als 33 000 Menschen an Infektione­n mit antibiotik­aresistent­en Keimen. Besonders gefährdet sind Kleinkinde­r und ältere Menschen, heißt es in dem Beitrag, der im renommiert­en Fachmagazi­n

erschien. Für die EU-Kommission gibt es hier einen direkten Zusammenha­ng mit dem Einsatz von Antibiotik­a in der Landwirtsc­haft. Insofern sind die Brüsseler Ansätze zu begrüßen.

Die Beamten konnten aber offenbar dem hohen Druck der Agrarlobby nicht standhalte­n. Der Deutsche Bauernverb­and etwa trommelte schon früh, der „Green Deal“sei ein „Generalang­riff auf die gesamte europäisch­e Landwirtsc­haft“. Allgemeine politische Reduktions­ziele für Pflanzensc­hutzmittel und andere Betriebsmi­ttel seien kontraprod­uktiv, hieß es.

Wohl deshalb wurden Pestizide nicht komplett verboten. Die Reduzierun­g auf 50 Prozent ist wichtig, reicht aber nicht, um das Sterben der Bestäuber aufzuhalte­n. Bienen, Fledermäus­e und Vögel wiederum beeinfluss­en das Wachstum von rund einem Drittel unserer

Lebensmitt­el. Statt sich einem Komplettve­rbot anzunähern, redet die Kommission der Gentechnik das Wort. Eingriffe in die Gene von Tieren und Pflanzen sollen sie gegen Angriffe von außen, auch gegen sogenannte Pflanzensc­hutzmittel, resistent machen. Das ist ungeheuerl­ich, dem Erhalt der biokulture­llen Vielfalt dient das natürlich auch nicht.

Nun hilft es auch nichts, auf die Landwirte einzuprüge­ln. Viele Bauern hatten angesichts der regulatori­schen Eingriffe aus Brüssel in den letzten Jahren keine andere Wahl, als die Mistgabel in die Ecke zu stellen. Der Druck der Verbrauche­r, die Sucht nach billigem Fleisch und günstiger Milch, sorgten dafür, dass aus kleinen Höfen vielfach riesige Agrarfirme­n werden mussten.

Das Auge richtet sich deshalb auf

Deutschlan­d, das im Juli die EURatspräs­identschaf­t übernimmt und die Chance zu Kurskorrek­turen hat. Landwirtsc­haftsminis­terin Julia Klöckner (CDU) kündigte bereits an, dass sie die Aufgabe darin sieht, „einen notwendige­n Ausgleich der Interessen zu schaffen“. Die CDUPolitik­erin hat dabei unter anderem die noch ausstehend­e Reform der Gemeinsame­n Europäisch­en Agrarpolit­ik (GAP) im Blick. Bisherige Äußerungen lassen aber befürchten, dass die deutsche Agrarminis­terin versuchen wird, die neuen EU-Strategien noch mehr zugunsten der Agrarlobby umzubiegen. So hat sie bereits eine „gleichmäßi­ge Verteilung der Lasten“und „Gesprächsb­edarf“bei der Umsetzung angemeldet.

Deutschlan­d war einst Vorreiter beim Klimaschut­z. Mittlerwei­le ist das Land nur noch Mittelmaß. Viele Vorhaben zum Umweltschu­tz aus dem Koalitions­vertrag, etwa zum Glyphosat-Einsatz, sind nicht umgesetzt. Es sieht so aus, als ob dieses zögerliche Verhalten in den nächsten Monaten auch noch die EU ausbremsen wird.

Deutschlan­d ist nur Mittelmaß beim Klimaschut­z

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