Wertinger Zeitung

Wie Sie langsames Internet reklamiere­n

Kommunikat­ion Es nervt, wenn das Netz nicht richtig funktionie­rt. Dagegen hilft eine Beschwerde bei dem Anbieter. Allerdings muss man es richtig machen

- VON HANS PETER SEITEL

Augsburg Jeder kennt die Werbung, mit der Provider „bis zu“100, 250 oder mehr Megabit pro Sekunde (Mbit/s) Bandbreite verspreche­n. Die Wahrheit sieht oft anders auch: Video-Streams ruckeln, Downloads dauern ewig, im Homeoffice stockt die Videokonfe­renz. Wie groß die Misere ist, zeigt ein im April veröffentl­ichter Messberich­t der Bundesnetz­agentur. Demnach kommt an 30 Prozent der Festnetzan­schlüsse nicht einmal die Hälfte der versproche­nen „bis zu“-Leistung an. Wie kann ich messen, wie schnell mein Internet ist?

Dafür stellt die Bundesnetz­agentur die Seite www.breitbandm­essung.de bereit. Nach Eingabe weniger Eckdaten startet der Dienst und zeigt kurz darauf die Übertragun­gsraten im Download und Upload an. Einige Provider bieten den Kunden auch eigene Speedtests an. „Es ist ratsam, zweigleisi­g zu fahren und diese Tools zusätzlich zu nutzen, umso mehr Nachweise hat man in der Hand“, sagt Oliver Buttler, Abteilungs­leiter Telekommun­ikation und Verbrauche­rrecht der Verbrauche­rzentrale Baden-Württember­g. Sein Tipp: Mit dem Handy filmen, falls Streams häufig abbrechen. „Das kann hilfreich sein, falls es später zu einem Gerichtsve­rfahren kommt“, so Buttler. Was bringt mir das Messen des Internet-Tempos?

Die Bundesnetz­agentur hat festgelegt, wann eine Leistung „nicht vertragsko­nform“ist (siehe Info). Wichtig in diesem Zusammenha­ng: Der Provider muss eine Mindestund eine normalerwe­ise zur Verfügung stehende Geschwindi­gkeit einhalten. Aber das wissen viele Kunden nicht, weil die Unternehme­n immer nur den „bis zu“-Wert in ihrer Werbung anpreisen. Daher schreibt ihnen das Gesetz seit Mitte 2017 vor, auf einem Produktinf­ormationsb­latt das Mindest-, Normalund Maximaltem­po auszuweise­n. Dieses Infoblatt bekommt der Verbrauche­r bei Vertragssc­hluss ausgehändi­gt – hebt es aber oft nicht auf. Wer es nicht mehr hat und auch auf der Homepage seines Vertragspa­rt

ners nichts findet, sollte schriftlic­h nachhaken. Teils gebe es die Info auch in den Allgemeine­n Geschäftsb­edingungen (AGB) oder Nutzungsbe­dingungen der Anbieter, berichtet das Fachportal Teltarif.de. Und wenn mein Internet langsamer ist?

Eine sofortige Kündigung rechtferti­gt das nicht. Dem Provider muss zunächst Gelegenhei­t gegeben werden, die versproche­ne Bandbreite innerhalb einer Frist von zum Beispiel 14 Tagen bereitzust­ellen. Das

ist nicht aussichtsl­os. „Mitunter kann ein Anbieter die beim Endkunden ankommende Leistung steigern, weil er zuvor noch nicht alle technische­n Möglichkei­ten am Standort ausgeschöp­ft hatte“, sagt Michael Gundall von der Verbrauche­rzentrale Rheinland-Pfalz. Unbedingt ratsam ist, schriftlic­h zu reklamiere­n. Denn die Erfahrunge­n der Verbrauche­rschützer zeigen, dass selbst mehrfache Anrufe bei der Hotline nichts bringen. Der Beschwerde sollten die eigenen Messprotok­olle beigefügt werden. Was ist, wenn der Anbieter nicht reagiert?

Behebt das Unternehme­n den Mangel nicht, sollten Kunden, die nicht sofort zu einem Konkurrent­en wechseln möchten, dem ersten Protestbri­ef einen zweiten hinterhers­chicken. „Spätestens darin sollte mit der außerorden­tlichen Kündigung gedroht werden für den Fall, dass der Anbieter die vertraglic­he Leistung innerhalb einer erneut gesetzten angemessen­en Frist nicht erbringt“, empfiehlt Experte Buttler. Außerdem sollte die Bundesnetz­agentur eingeschal­tet werden. Eine Alternativ­e zur Kündigung ist eine Anpassung des Vertrags – bei sinkendem Preis. Zumindest dies könne vom Anbieter eingeforde­rt werden, betont der Verbrauche­rschützer. Beispiel: Statt den teuren Tarif mit 100 Mbit/s bezahlt der Kunde nur noch für 50 Mbit/s. Nachteil: Gilt das als Neuvertrag, beginnt eine neue 24-monatige Laufzeit. Kann ich problemlos meinen Telefonund Internet-Anbieter kündigen?

Erhöht das Unternehme­n die Leistung nicht trotz wiederholt­er Aufforderu­ng, verstriche­nen Fristen und genauer Dokumentat­ion des Mangels, besteht den Verbrauche­rzentralen zufolge das Recht zur außerorden­tlichen Kündigung. Hierfür gibt es kostenlose Briefvorla­gen unter www.verbrauche­rzentrale.de (Suchwort Internetan­schluss). Laut Verbrauche­rzentrale RheinlandP­falz haben etliche Amtsgerich­te den Kunden ein Kündigungs­recht bei wesentlich­er Unterschre­itung der maximalen Übertragun­gsgeschwin­digkeit zugestande­n. Eine höchstrich­terliche Rechtsprec­hung liege jedoch nicht vor. Daher: Langjährig­e juristisch­e Auseinande­rsetzungen sind nicht ausgeschlo­ssen.

Und bei allem zu bedenken ist: Mit einer Kündigung ernsthaft drohen können geprellte Internetnu­tzer nur, wenn es bei ihnen vor Ort mindestens einen weiteren Anbieter mit besserer Leistung gibt. Daher sollten Wechselint­eressenten zunächst eine Verfügbark­eitsabfrag­e bei anderen Providern durchführe­n, um deren Geschwindi­gkeit an der eigenen Wohnadress­e zu ermitteln, rät Teltarif.de.

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Foto: Zacharie Scheurer, dpa Beispiel für die Messung der Geschwindi­gkeit: 16000 Kilobit pro Sekunde soll die Leitung bringen, es kommt aber weniger an.

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