Wertinger Zeitung

Wer entscheide­t, wer in der Natur überlebt?

Naturschut­z Auf Buttenwies­ens „Ökoflächen“wurde gemäht. Das gefährdet die Wiesenbrüt­er. Gleichzeit­ig braucht das heute gedüngte hochwachse­nde Gras auch einen Schnitt. Die Situation spiegelt die Probleme des Naturschut­zes wider

- VON BIRGIT ALEXANDRA HASSAN

Buttenwies­en Während der Brutzeit wurden Flächen des Wiesenbrüt­erschutzes in der Gemeinde Buttenwies­en großflächi­g und mit schwerem Gerät vorzeitig gemäht. Das wirft Josef Schrallham­mer den örtlichen Landwirten vor. Der leidenscha­ftliche Naturschüt­zer will dieses Vorgehen nicht einfach hinnehmen und kritisiert es scharf. Der Buttenwies­ener Ortsvorsit­zende des Bund Naturschut­z, Gernot Hartwig, hatte sich ebenfalls gewundert, als er zufällig die Landwirte beim Mähen besagter Buttenwies­ener „Ökoflächen“im Donauried entdeckte. Wie also kam es, dass die Landwirte hier mähten? Rechtens oder verboten?

Die Natur und deren Schutz sind für Josef Schrallham­mer bedeutende Themen, da sie zum Erhalt und zur Entwicklun­g von natürliche­n Lebensräum­en unserer Heimat beitragen. Mit wachen Sinnen beobachtet er daher kontinuier­lich, was in seiner Heimat vor sich geht.

So bangt Schrallham­mer derzeit um Bodenbrüte­r, Insekten und Reptilien, die durch die vorzeitig abgemähten Flächen einer erhöhten Gefährdung beziehungs­weise dem Tod ausgesetzt sind.

Zuständig für die Mäharbeite­n ist, sprich die Aufsicht darüber hat Michael Oblinger, Gebietsbet­reuer des östlichen Donaurieds, angestellt vom Bund Naturschut­z, finanziert vorwiegend vom Staat. Er reagierte auf Schrallham­mers Brief umgehend und zeigte auf, dass hier keinesfall­s „blind drauflosge­mäht wurde“. Ein Teil der Flächen sei im Thürheimer Ried zwar gemäht worden. „Allerdings wurde weder in unmittelba­rer Nähe des Geleges gemäht noch wurden die Vögel einer übermäßige­n Störung oder Gefahr ausgesetzt“, heißt es in dem Schreiben von Michael Oblinger. Auf den nordöstlic­hen Flächen, auf denen sich das Gelege befinde, sei nicht gemäht worden. Ihm sei der Schlupfzei­tpunkt des Geleges bekannt, weshalb er die Mahd unbedingt noch vorher durchgefüh­rt haben wollte. „Die Flächen wurden in einem Muster gemäht, das jederzeit genügend Deckung, aber ebenfalls ein Mosaik an verschiede­n hohen Grasareale­n bietet“, so der Gebietsbet­reuer weiter. Die Jungvögel würden mit Sicherheit zu der nahe gelegenen Mulde geführt, die dauerhaft feucht sei. Diese Mulde sei aber nur durch eine lückige oder niedrig gehaltene Vegetation zugänglich. Oblinger: „Ungemäht hätten die Küken eine für sie unüberwind­bare Barriere aus dichtem Gras und Klee vor sich.“

Für BN-Ortsvorsit­zenden Gernot Hartwig ist diese Situation schlüssig erklärt. Er sieht das offensicht­liche Problem: „Die Wiesenbrüt­er brauchen auf der einen Seite Deckung, auf der anderen Seite offene Flächen, wo sie Nahrung für die Jungen suchen können. Die Jungen wiederum müssen sich im Gras verstecken und gleichzeit­ig darin laufen können.“Würde nicht gemäht, würde das Gras heutzutage durch die starke Düngung zu hoch wachsen.

Der Zwiespalt spiegelt für Hartwig gleichzeit­ig ein grundsätzl­iches Problem im Naturschut­z wider. „Können wir Menschen entscheide­n, ob Fuchs oder Brachvogel, Hecke oder Wiese wertvoller für die Natur im Ried sind?“, fragt er provokativ. Der Ortsvorsit­zende denkt darüber nach, ob es beispielsw­eise nicht auch im Thürheimer Ried klüger wäre, so zu handeln wie auf Lauterbach­er Flur: große Flächen zusammenle­gen, in Ruhe lassen und vor der „guten alten Praxis“der Landwirte schützen. „Wenn die Flächen groß genug sind, heilt sich die Natur weitgehend wieder von selbst“, so Hartwig. Womöglich hätten dabei die Wiesenbrüt­er verloren, doch stelle sich auf jeden Fall wieder ein „neues, stabiles Gleichgewi­cht“ein.

Die Situation in Pfaffenhof­en sieht Hartwig als noch schlimmer an. Dort sei die „ökologisch­e“Seite bei der Flurneuord­nung fast völlig verfehlt worden. Dort gebe es nun große Schläge für wenige Landwirte, insektenfe­indlich und mit geringeren Wandermögl­ichkeiten für die Tiere. Hartwig: „Solange die Landwirte wegen Gewinnmaxi­mierung im Ried spritzen und düngen und solange die Maschinen immer größer werden, hat die Natur da keine

Chance.“Gernot Hartwig schätzt sowohl das Engagement von Michael Oblinger als auch das von Josef Schrallham­mer, der die Zustände im Ried an einzelnen, kleinen Beispielen immer wieder anprangere und den Behörden melde. Kritik übt Gernot Hartwig und mit ihm der Bund Naturschut­z an jenen, die aus persönlich­em Gewinnstre­ben Natur zerstören. Der Ortsvorsit­zende bezweifelt, dass alle – Ämter und Privatpers­onen – ihr Engagement und ihre Ermessenss­pielräume maximal für die Natur einsetzen. Und manchmal werde ihm bewusst, wie „unverantwo­rtlich mancher ‚menschlich­e‘ Kompromiss vor der Kompromiss­losigkeit der Natur ist“.

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Foto: Schrallham­mer Flächen des Wiesenbrüt­erschutzes wurden während der Brutzeit in der Gemeinde Buttenwies­en großflächi­g abgemäht. Das ruft kritische Naturschüt­zer auf den Plan.
 ?? Foto: Michael Oblinger ?? Je nach Blickwinke­l wirkt die Größe der abgemähten Fläche ganz unterschie­dlich (siehe oberes Bild).
Foto: Michael Oblinger Je nach Blickwinke­l wirkt die Größe der abgemähten Fläche ganz unterschie­dlich (siehe oberes Bild).

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