Bleibt die Mehrwertsteuer länger gesenkt?
Konjunktur Söder deutet Ausweitung der Sonderregelung über Dezember hinaus an
Berlin/Augsburg Mit der Reduzierung der Mehrwertsteuer hat die Koalition auch viele ihrer Kritiker verblüfft. Unter Umständen könnte der bislang auf die zweite Hälfte des laufenden Jahres befristete Steuernachlass sogar noch länger gelten als bislang geplant. Dies hänge von der Konjunktur ab, betonte CSU-Chef Markus Söder nach der Einigung auf das 130 Milliarden Euro teure Konjunkturpaket. „Wir müssen im Herbst sehen, ob wir die Mehrwertsteuersenkung verlängern.“
Am 1. Juli sinkt der normale Satz von 19 auf 16 Prozent und der ermäßigte für Lebensmittel und ähnliche Güter des täglichen Bedarfs von sieben auf fünf Prozent. Von der Steuersenkung profitiere auch die Autoindustrie, sagte Söder. Kaufanreize würden dabei für alle Autos gesetzt, auch für teure und solche mit Verbrennungsmotor. Darüber hinaus werde für Elektro- und Hybridfahrzeuge die Förderung verdoppelt. Sollte es keinen Corona-Rückfall mehr geben – und diese Gefahr bestehe weiter, so Söder –, sehe er gute Chancen für einen Aufschwung.
Der Vorsitzende des Audi-Gesamtbetriebsrates, Peter Mosch, beklagte einen „entscheidenden Schönheitsfehler“im Paket: „Die einseitige Fokussierung auf E-Fahrzeuge wird keinen kräftigen Nachfrage-Impuls für die heimische Automobilund Zulieferindustrie setzen können.“
Wirtschaft und Experten lassen die Entscheidungen der Koalition auf eine rasche Erholung nach der Corona-Krise hoffen. Nachdem Union und SPD sich unter anderem auf eine Absenkung der Mehrwertsteuer, einen Familienbonus und Entlastung bei den Strompreisen geeinigt hatten, überwogen am Donnerstag die positiven Reaktionen von Arbeitgebern, Ökonomen und Umweltschützern. So viel Lob hat es lange nicht gegeben für die Bundesregierung.
Und so musste Angela Merkel am Abend in der ZDF-Sendung „Was nun, Frau Merkel“sogar Spekulationen über eine mögliche fünfte Amtszeit zurückweisen. Auf die Frage, ob sie darüber nachdenke, angesichts der noch nicht bewältigten Corona-Krise doch noch einmal für eine Kanzlerkandidatur zur Verfügung zu stehen, sagte die CDUPolitikerin: „Nein. Wirklich nicht.“Ihr Nein stehe „ganz fest“. Unter anderem Horst Seehofer hatte kürzlich eine mögliche fünfte Amtszeit Merkels ins Gespräch gebracht. Einer, der wohl ganz gerne kandidieren würde, ist Merkels Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz. Er kommentierte das Konjunkturpaket so: „Wir wollen mit Wumms aus der Krise kommen.“Und SPD-Chefin Saskia Esken sagte: „Das größte Konjunkturpaket der Nachkriegsgeschichte trifft auf die größte Krise der Nachkriegsgeschichte.“
IG-Metall-Chef Jörg Hofmann bleibt dennoch skeptisch. „Ob das Konjunkturpaket zu einem großen
EZB macht weitere 600 Milliarden locker
Wumms für Nachfrage und Beschäftigung wird, muss sich beweisen“, sagte er unserer Redaktion. Das gelte vor allem für die Reduzierung der Mehrwertsteuer. „Ob die beim Verbraucher ankommt oder die Kassen von Amazon und Co. füllt, bleibt abzuwarten.“
Europas Währungshüter legen im Kampf gegen die Folgen der Pandemie ebenfalls nach. Die Europäische Zentralbank stockt ihr Notkaufprogramm für Anleihen um 600 Milliarden Euro auf. Bisher hatte sie 750 Milliarden für den Kauf von Staatsund Firmenanleihen veranschlagt. Die Wertpapierkäufe helfen Staaten wie Unternehmen: Sie müssen für ihre Papiere nicht so hohe Zinsen bieten, wenn eine Zentralbank als Käufer am Markt auftritt.