Das letzte Kapitel
Justiz Wo sind die Tonbänder mit Helmut Kohls brisanten Erinnerungen?
Wie lange diese unendliche Geschichte schon erzählt wird, lässt sich am etwas angestaubten Wort „Tonbänder“ablesen. Das erste Kapitel spielt vor mehr als zwei Jahrzehnten. Im Keller seines Oggersheimer Bungalows erzählt Helmut Kohl aus seinem langen Leben in der Politik. Er spricht offen, er ist nicht zimperlich – mit seinen Feinden, aber auch mit alten Weggefährten. Smartphones gibt es noch nicht, also läuft im Hintergrund ein Tonbandgerät. Kohl vertraut dem Mann, der ihm gegenübersitzt.
Heribert Schwan schreibt die Memoiren des Altkanzlers. Mehr als 100 Mal treffen sich die beiden, drei von vier geplanten Büchern erscheinen – bis es zum großen Krach kommt. Jetzt sind die brisanten Tonbänder plötzlich in den falschen Händen. Kohl will die 200 Originalkassetten zurück, klagt und bekommt 2013 recht. Doch Schwan prahlt, es gebe jede Menge Kopien, „verstreut in deutschen Landen und auch im Ausland“. Er macht die Aufnahmen zu Geld. Sein skandalträchtiges Buch „Die Kohl-Protokolle“wird zum Bestseller – und bringt ihm neuen Ärger mit der Justiz. Der
Autor muss viele
Stellen schwärzen, doch nun sind die Zitate schon in der Welt. Alte Freunde reagieren schockiert, wie abwertend Kohl über sie sprach. Der Altkanzler prozessiert weiter und erstreitet kurz, bevor er 2017 stirbt, eine Entschädigung von einer Million Euro. Doch selbst der Tod ist nicht das letzte Kapitel. Witwe Maike KohlRichter will wissen, wo die Kopien und Abschriften sind. Hat sie ein Recht darauf? Am Donnerstag sollte der Bundesgerichtshof endgültig darüber entscheiden. Doch die Richter sehen noch immer Klärungsbedarf. Das Schlusskapitel wollen sie nun im August schreiben.