Was die niedrigere Mehrwertsteuer den Kunden bringt
Konjunkturpaket Ab Juli beträgt der reguläre Satz nicht mehr 19 Prozent, sondern 16. Doch in Restaurants und Geschäften sollte man sich nicht allzu große Hoffnungen auf einen Preisverfall machen. Wo Verbraucher dennoch profitieren könnten
Augsburg Ab Juli gibt es für Augustin Modlmair wieder Hoffnung. In Bayerdilling im Landkreis DonauRies betreibt er den Gasthof Schwarzwirt und bietet regionale Speisen an. Wochenlang war sein Restaurant coronabedingt geschlossen. Dass die Bundesregierung nun beschlossen hat, die Mehrwertsteuer vorübergehend zu senken, ist für Wirte wie ihn daher bitter nötig. „Für die Hygienemaßnahmen sind unsere Kosten gestiegen, Personal muss bezahlt werden, die Lebensmittel sind bis zu 15 Prozent teurer“, sagt der Wirt. Aus wirtschaftlichen Gründen wird er die Steuersenkung deshalb nicht an seine Gäste weitergeben. Wie er kämpfen momentan viele Gastronomen ums Überleben. Deshalb wundert es nicht, dass Modlmairs Entscheidung exemplarisch für seine ganze Branche steht.
„Wir müssen die gesparte Steuer für uns behalten“, sagt Frank-Ulrich John. Er ist Pressesprecher des
Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes in Bayern. Der reguläre Mehrwertsteuersatz wird ab Juli bis Ende des Jahres 16 Prozent statt 19 betragen. Für zubereitete Speisen sollte ohnehin ab Juli ein Jahr lang der ermäßigte Satz von normalerweise sieben Prozent gelten, um den Gastronomen durch die Krise zu helfen. Nun fällt die Senkung sogar noch deutlicher aus, denn die Koalition hat in ihrem Konjunkturpaket beschlossen, auch den ermäßigten Satz vorläufig zu reduzieren – von sieben auf fünf Prozent.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz erwartet, dass Händler ihre Produkte nun günstiger verkaufen, da sie weniger Steuern zahlen müssen. Hoteliers und Wirte könnten sich dies aber nicht leisten, sagt John. „Wirtshaussterben gab es schon vor der Krise.“
Offen ist, wie viel Entlastung für Unternehmen und Kunden von der Maßnahme tatsächlich zu erwarten ist. Schon 2008 hatten die Briten versucht, mit einer Senkung der Mehrwertsteuer die Konjunktur anzukurbeln, die infolge der weltweiten Finanzkrise dramatisch eingebrochen war. Eine Studie, zu deren Autoren unter anderem die Wirtschaftsprofessorin Melanie Lührmann von der Universität London zählt, kam zu dem Schluss, dass in 75 Prozent der Fälle die Unternehmen den Steuernachlass an die Kunden weitergegeben haben. Die Senkung betrug damals 2,5 Prozentpunkte, etwa die Höhe also, in der nun auch die Bundesregierung die
Steuer senkt. Allerdings vermutet die Wissenschaftlerin, dass es auch ohne den Nachlass in vielen Branchen für Kunden Schnäppchen gegeben hätte. „Viele Lager sind nach dem Lockdown sehr gefüllt“, sagt sie. Um die Bestände loszuwerden, erwartet sie diverse Rabattaktionen. Ob die Händler die Preise angesichts der geringeren Steuer zusätzlich senken werden, sei offen.
Dass ihre Kunden davon profitieren werden, haben Aldi und Rewe bereits versichert – und zwar „in Form von günstigeren Preisen“, sagt eine Sprecherin von Aldi Süd unserer Redaktion. Auch Kaufland verspricht seinen Kunden das.
Bereits Anfang des Jahres gab es eine Mehrwertsteuersenkung, die als sogenannte „Tamponsteuer“bekannt wurde. Die Bundesregierung hatte entschieden, auf Damenhygieneartikel nicht mehr den regulären, sondern den ermäßigten Mehrwertsteuersatz zu erheben. Auslöser waren zwei bundesweite Petitionen, die forderten, Produkte wie Tampons und Binden zum Grundbedarf zu zählen. Seit Januar werden sie als
Güter des täglichen Bedarfs mit dem reduzierten Satz von bislang sieben Prozent besteuert. Allerdings zeigte sich schnell, dass einige Hersteller von Menstruationsprodukten wie Johnson & Johnson mit ihrer Marke OB die Preise kräftig erhöhten. Offiziell begründete das Unternehmen dies damals damit, dass es die Qualität des Produktes gesteigert habe. Viele Kundinnen hatten also in Wahrheit kaum etwas von der gut gemeinten Steuersenkung.
Immerhin: Wer sich in diesem Jahr noch ein Auto kaufen möchte, könnte vom Konjunkturpaket profitieren. Jedenfalls kündigte der Verband der Automobilindustrie noch am Donnerstag an, dass die Branche Senkung der Mehrwertsteuer an die Kunden weitergeben werde. Der Verband hatte ursprünglich eine Kaufprämie für Autos gefordert. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hatte den Vorschlag unterstützt, konnte sich aber nicht durchsetzen. Stattdessen soll nach Vorstellung der Bundesregierung nun die reduzierte Mehrwertsteuer einen Kaufanreiz darstellen.