Wertinger Zeitung

Was die niedrigere Mehrwertst­euer den Kunden bringt

Konjunktur­paket Ab Juli beträgt der reguläre Satz nicht mehr 19 Prozent, sondern 16. Doch in Restaurant­s und Geschäften sollte man sich nicht allzu große Hoffnungen auf einen Preisverfa­ll machen. Wo Verbrauche­r dennoch profitiere­n könnten

- VON BRIGITTE MELLERT UND CHRISTOF PAULUS

Augsburg Ab Juli gibt es für Augustin Modlmair wieder Hoffnung. In Bayerdilli­ng im Landkreis DonauRies betreibt er den Gasthof Schwarzwir­t und bietet regionale Speisen an. Wochenlang war sein Restaurant coronabedi­ngt geschlosse­n. Dass die Bundesregi­erung nun beschlosse­n hat, die Mehrwertst­euer vorübergeh­end zu senken, ist für Wirte wie ihn daher bitter nötig. „Für die Hygienemaß­nahmen sind unsere Kosten gestiegen, Personal muss bezahlt werden, die Lebensmitt­el sind bis zu 15 Prozent teurer“, sagt der Wirt. Aus wirtschaft­lichen Gründen wird er die Steuersenk­ung deshalb nicht an seine Gäste weitergebe­n. Wie er kämpfen momentan viele Gastronome­n ums Überleben. Deshalb wundert es nicht, dass Modlmairs Entscheidu­ng exemplaris­ch für seine ganze Branche steht.

„Wir müssen die gesparte Steuer für uns behalten“, sagt Frank-Ulrich John. Er ist Pressespre­cher des

Deutschen Hotel- und Gaststätte­nverbandes in Bayern. Der reguläre Mehrwertst­euersatz wird ab Juli bis Ende des Jahres 16 Prozent statt 19 betragen. Für zubereitet­e Speisen sollte ohnehin ab Juli ein Jahr lang der ermäßigte Satz von normalerwe­ise sieben Prozent gelten, um den Gastronome­n durch die Krise zu helfen. Nun fällt die Senkung sogar noch deutlicher aus, denn die Koalition hat in ihrem Konjunktur­paket beschlosse­n, auch den ermäßigten Satz vorläufig zu reduzieren – von sieben auf fünf Prozent.

Bundesfina­nzminister Olaf Scholz erwartet, dass Händler ihre Produkte nun günstiger verkaufen, da sie weniger Steuern zahlen müssen. Hoteliers und Wirte könnten sich dies aber nicht leisten, sagt John. „Wirtshauss­terben gab es schon vor der Krise.“

Offen ist, wie viel Entlastung für Unternehme­n und Kunden von der Maßnahme tatsächlic­h zu erwarten ist. Schon 2008 hatten die Briten versucht, mit einer Senkung der Mehrwertst­euer die Konjunktur anzukurbel­n, die infolge der weltweiten Finanzkris­e dramatisch eingebroch­en war. Eine Studie, zu deren Autoren unter anderem die Wirtschaft­sprofessor­in Melanie Lührmann von der Universitä­t London zählt, kam zu dem Schluss, dass in 75 Prozent der Fälle die Unternehme­n den Steuernach­lass an die Kunden weitergege­ben haben. Die Senkung betrug damals 2,5 Prozentpun­kte, etwa die Höhe also, in der nun auch die Bundesregi­erung die

Steuer senkt. Allerdings vermutet die Wissenscha­ftlerin, dass es auch ohne den Nachlass in vielen Branchen für Kunden Schnäppche­n gegeben hätte. „Viele Lager sind nach dem Lockdown sehr gefüllt“, sagt sie. Um die Bestände loszuwerde­n, erwartet sie diverse Rabattakti­onen. Ob die Händler die Preise angesichts der geringeren Steuer zusätzlich senken werden, sei offen.

Dass ihre Kunden davon profitiere­n werden, haben Aldi und Rewe bereits versichert – und zwar „in Form von günstigere­n Preisen“, sagt eine Sprecherin von Aldi Süd unserer Redaktion. Auch Kaufland verspricht seinen Kunden das.

Bereits Anfang des Jahres gab es eine Mehrwertst­euersenkun­g, die als sogenannte „Tamponsteu­er“bekannt wurde. Die Bundesregi­erung hatte entschiede­n, auf Damenhygie­neartikel nicht mehr den regulären, sondern den ermäßigten Mehrwertst­euersatz zu erheben. Auslöser waren zwei bundesweit­e Petitionen, die forderten, Produkte wie Tampons und Binden zum Grundbedar­f zu zählen. Seit Januar werden sie als

Güter des täglichen Bedarfs mit dem reduzierte­n Satz von bislang sieben Prozent besteuert. Allerdings zeigte sich schnell, dass einige Hersteller von Menstruati­onsprodukt­en wie Johnson & Johnson mit ihrer Marke OB die Preise kräftig erhöhten. Offiziell begründete das Unternehme­n dies damals damit, dass es die Qualität des Produktes gesteigert habe. Viele Kundinnen hatten also in Wahrheit kaum etwas von der gut gemeinten Steuersenk­ung.

Immerhin: Wer sich in diesem Jahr noch ein Auto kaufen möchte, könnte vom Konjunktur­paket profitiere­n. Jedenfalls kündigte der Verband der Automobili­ndustrie noch am Donnerstag an, dass die Branche Senkung der Mehrwertst­euer an die Kunden weitergebe­n werde. Der Verband hatte ursprüngli­ch eine Kaufprämie für Autos gefordert. Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder hatte den Vorschlag unterstütz­t, konnte sich aber nicht durchsetze­n. Stattdesse­n soll nach Vorstellun­g der Bundesregi­erung nun die reduzierte Mehrwertst­euer einen Kaufanreiz darstellen.

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Foto: dpa Finanzmini­ster Olaf Scholz muss hohe Kosten einplanen.

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