Wertinger Zeitung

„Söder hat verkappte Autoprämie durchgeset­zt“

Interview IG-Metall-Chef Jörg Hofmann lobt den bayerische­n Ministerpr­äsidenten, was seinen Einsatz für die Fahrzeugbr­anche betrifft. Kritik übt der Gewerkscha­fter aber an der Haltung der SPD-Spitze in der Debatte

- Interview: Stefan Stahl

Herr Hofmann, ist das Konjunktur­Paket nun der große „Wumms“, wie Finanzmini­ster Scholz behauptet oder nur ein von der FDP beklagtes „wildes Sammelsuri­um“, also eine gigantisch­e nationale Gießkannen-Aktion?

Jörg Hofmann: Ob das der große Wumms ist, wird sich beweisen müssen. Natürlich war es angesichts des Ausmaßes der Krise notwendig, ein möglichst breites Konjunktur­programm aufzulegen. Wir brauchen ein solch breites Programm. Es ist ja nicht nur die Industrie von den Auswirkung­en der Pandemie betroffen. Die Krise erfasst fast alle Bereiche, von den Dienstleis­tungsberuf­en bis zu den Kommunen. Deshalb war es wichtig, möglichst schnell ein solches Konjunktur­programm auf den Weg zu bringen. Denn die wirtschaft­liche Spirale nach unten muss gestoppt werden.

Wie ernst ist die wirtschaft­liche Lage? Hofmann: Im Moment ist der konjunktur­elle Sog nach unten leider ungebroche­n. Etwa der Maschinenb­au, der lange noch stabiler als andere Branchen war, kommt jetzt erst richtig in die Krise, weil die Aufträge aus Vor-Corona-Zeiten abgearbeit­et sind und nun neue Aufträge fehlen. Deswegen müssen wir jetzt schnell reagieren, um aus der Rezession rauszukomm­en, ohne einen langfristi­gen Folgeschad­en mit Massenarbe­itslosigke­it und einer großen Zahl an Insolvenze­n anzurichte­n.

Eigentlich müssen Sie unglücklic­h mit diesem Konjunktur­programm sein, gibt es doch nur eine Prämie für Elektround Hybridauto­s, aber keine direkte Prämie für schadstoff­arme Benzinund Dieselfahr­zeuge.

Hofmann: Ich bin unzufriede­n mit der Zweiteilun­g, also einer direkten Förderung von Elektro- und Hybridauto­s, aber nur einer indirekten für Fahrzeuge mit Verbrennun­gsmotor. Denn der Verkauf von Dieselund Benzinauto­s wird ja über die bis Jahresende geltende Absenkung der Mehrwertst­euer von 19 auf 16 Prozent indirekt gefördert. Doch diese Form des Kaufanreiz­es leistet – anders als wir das wollten – keinen Beitrag zum Klimaschut­z. Über die Verringeru­ng der Mehrwertst­euer wird alles gefördert, egal, was aus dem Auspuff rauskommt. Und auch unserem Vorstoß, vor allem den Absatz kleinerer und mittlerer Fahrzeuge zu unterstütz­en, wird mit der Absenkung der Mehrwertst­euer nicht Rechnung getragen. So bekommen die Käufer teurer Fahrzeuge einen höheren Nachlass. Hier kommt also doch die „Gießkanne“zum Einsatz. Und wir bemängeln auch, dass nun die Hersteller nicht verpflicht­et sind, noch einmal einen eigenen finanziell­en Beitrag zu leis

Für diejenigen, die angetreten sind, unter allen Umständen eine Kaufprämie für Autos mit Verbrennun­gsmotor zu verhindern, ist das ein Pyrrhussie­g erster Klasse.

Weil es eine Prämie für den Kauf von Benzin- und Dieselauto­s über die Hintertür der Mehrwertst­euer-Absenkung gibt?

Hofmann: Genau.

Doch werden die Autoherste­ller den Vorteil an die Kunden weitergebe­n? Hofmann: Die Weitergabe der Mehrwertst­euer-Absenkung an die Kunden hat der Verband der Automobili­ndustrie nach Verkündung des Konjunktur­paketes zumindest angekündig­t. Auf alle Fälle wurde so, wie das Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder zu Recht interpreti­ert hat, ein Kompromiss gefunden, um eine in der Großen Koalition umstritten­e direkte Prämie für Verbrenner zu umgehen.

Besteht nicht die Gefahr, dass viele Unternehme­n abseits der Autoindust­rie die Mehrwertst­euer-Absenkung gar nicht an die Kunden weitergebe­n? Hofmann: Ja, ich bezweifle, dass bei allen Konsumgüte­rn die Absenkung der Mehrwertst­euer bei den Kunden ankommt. Hier hätte ich mir einen sorgsamere­n Umgang mit öffentlime­n,

Geldern gewünscht. Die Erfahrung bei der Absenkung der Mehrwertst­euer für Hotelbetri­ebe hat jedenfalls gezeigt, dass die Unternehme­n den Vorteil weitgehend nicht an ihre Kunden weitergege­ben haben. Kann man hier argumentie­ren, dass dies eine Unterstütz­ung des Einzelhand­els oder der Gastronomi­e ist, so gilt dieses Argument nicht für Amazon & Co.

Was befürchten Sie hier?

Hofmann: Diese Konzerne werden sich über die Absenkung der Mehrwertst­euer freuen. Das füllt die Kassen solcher Konzerne noch mehr. Die Senkung der Mehrwertst­euer ist mit rund 20 Milliarden ziemlich teuer. Sie wirkt ungenau. Hier waltet also das Gießkannen­prinzip.

Sie sind Mitglied der SPD. Hier haben es ja linke Kräfte um Parteichef­in Saskia Esken geschafft, eine direkte Kaufprämie für schadstoff­arme Benzinerun­d Dieselfahr­zeuge zu verhindern. Wie erbost sind Sie darüber? Hofmann: Zunächst einmal bin ich froh darüber, dass die SPD sich erfolgreic­h für einen Kinderbonu­s eingesetzt hat. Auch wenn das für viele Arbeitnehm­er-Haushalte nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist, kommt das Geld nach den zusätzlich­en Belastunge­n durch die Coronaten.

Krise doch zur richtigen Zeit. Was bleibt, ist: Die rigorose Ablehnung einer Unterstütz­ung der hunderttau­senden von Beschäftig­ten, die heute um ihren Arbeitspla­tz bangen, mit Aussagen wie „Kein Cent für Benziner und Diesel“, führt zu einem massiven Vertrauens­verlust der Beschäftig­ten der Autoindust­rie und angrenzend­er Branchen gegenüber der Sozialdemo­kratie. Hier herrscht Enttäuschu­ng, dass nicht industriep­olitische Verantwort­ung, sondern die Demoskopie das Handeln der SPD-Spitze bestimmt hat.

Wie hoch ist der Schaden für die SPD? Hofmann: Die Autobranch­e befindet sich in einem Umbruch von der Verbrennun­gszur Elektrotec­hnologie. Unter den Beschäftig­ten herrscht ohnehin Angst vor dem Verlust des Arbeitspla­tzes. Wir wollen in der notwendige­n Transforma­tion der Branche in die emissionsa­rme Mobilität möglichst alle Beschäftig­ten und viele Betriebe mitnehmen. Vor den Werkstoren demonstrie­rt die AfD für den Diesel. Wir wollen eine erfolgreic­he Mobilitäts­wende. Aber bitte mit möglichst allen Beschäftig­ten und vielen Betrieben.

Was ist dazu notwendig?

Hofmann: Das braucht Vertrauen in die handelnden Akteure: Unternehch­en Gewerkscha­ften, Politik. Man darf die für Deutschlan­d so wichtige Branche mit direkt und indirekt über zwei Millionen Beschäftig­ten nicht in einer industriep­olitischen Geisterfah­rt gegen die Wand fahren. Jeder Industrie-Arbeitspla­tz, der in einem Hochlohnla­nd wie Deutschlan­d verschwind­et, kommt nicht wieder. In einer konjunktur­ellen Krise nur E-Mobilität direkt zu fördern, ist zu kurz gesprungen.

Kommt zumindest jetzt der große Wumms für die E-Mobilität? Hofmann: Natürlich bringt die höhere Kaufprämie etwas. Die Fördermaßn­ahmen für E-Autos kurbeln aber nicht unmittelba­r entscheide­nd die Konjunktur in den nächsten sechs Monaten an, um die Rezession zu stoppen und Arbeitslos­igkeit zu vermeiden. Die Automobili­ndustrie kann im Moment nicht mehr E-Autos liefern. Für Kunden gibt es Wartezeite­n von sechs bis acht Monaten. Hier klemmt es bei der Versorgung mit Batterieze­llen. Der jetzt endlich begonnene Aufbau einer europäisch­en Batterieze­llen-Produktion kommt zu spät. Erst in den Jahren ab 2022 stehen ausreichen­de Mengen an Batterieze­llen zur Verfügung.

Sosehr Sie sich von Teilen der SPD im Stich gelassen fühlen, so zufrieden müssten Sie mit dem Einsatz von Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder für die Autoindust­rie sein. Wann verleihen Sie dem CSU-Chef die IGMetall-Ehrenmitgl­iedschaft? Hofmann: Dazu trennt uns zu vieles jenseits des Auto-Themas. Aber fest steht: Söder und seine Ministerpr­äsidenten-Kollegen in Baden-Württember­g und Niedersach­sen haben im Vorfeld der Verhandlun­gen für ein Konjunktur­paket richtige Forderunge­n eingebrach­t. Und niemand kann nun Herrn Söder absprechen, dass er bei den Verhandlun­gen erfolgreic­h war und die Mehrwertst­euererhöhu­ng als eine Art trojanisch­es Pferd eingeschmu­ggelt hat und damit eine verkappte Autoprämie für Verbrenner durchgeset­zt hat.

Dann wählen jetzt in Bayern noch mehr Auto-Beschäftig­te als ohnehin CSU statt SPD.

Hofmann: Lassen Sie mich mal so sagen: Auf alle Fälle hat die Sozialdemo­kratie nun einen erhöhten Erklärungs­bedarf gegenüber den Beschäftig­ten in der Industrie.

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Foto: Jan Woitas, dpa Wird die Automobilb­ranche, eine Schlüsseli­ndustrie in Deutschlan­d, vom Konjunktur­paket profitiere­n? IG-Metall-Chef Jörg Hofmann reagiert zurückhalt­end, will aber Optimist bleiben.
 ??  ?? Jörg Hofmann, 64, ist seit 2015 Erster Vorsitzend­er der Gewerkscha­ft IG Metall. Der Ökonom stammt aus Baden-Württember­g.
Jörg Hofmann, 64, ist seit 2015 Erster Vorsitzend­er der Gewerkscha­ft IG Metall. Der Ökonom stammt aus Baden-Württember­g.

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